Erste Sitzung nach der Sommerpause: Altes Parlament, neue Atmosphäre
Das Abgeordnetenhaus kommt erstmals seit 69 Tagen wieder zusammen. Milliardenkürzungen und einen drohenden AfD-Wahlsieg kann niemand mehr ausblenden.
Die am Mittwochnachmittag verbreitete Tagesordnung vermittelt zwar anderes – in der Aktuelle Stunde als offiziell wichtigster Debatte geht es nicht etwa um das Chaos beim Schulessen, sondern auf Wunsch der schwarz-roten Koalition um die Internationale Funk-Ausstellung. Obwohl von der mancher möglicherweise gar nicht wusste, dass es sie noch gibt.
Das ändert aber nichts daran, dass nun ansteht oder droht, was sich vor den Ferien mit ganz viel Wünsch-Dir-was vielleicht noch verdrängen ließ: zum einen 3 bis 4 Milliarden Euro Kürzungen im Haushalt, zum anderen nur zwölf Kilometer Luftlinie vom Abgeordnetenhaus entfernt ein Bundesland, in dem die AfD stärkste Partei werden könnte. Deren Berliner Abgeordnete, ohnehin nicht gerade kleinlaut, dürften nun nach dem Wahlsieg ihrer Thüringer Parteifreunde kaum leiser auftreten.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Punkten: Einen weiteren AfD-Sieg können die Brandenburger noch verhindern, wenn sie bei der Wahl am 22. September stärker als bisher auf Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) setzen. Beim Milliarden-Loch aber gilt das nicht, so sich die Gesetze der Mathematik nicht noch ändern: Zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft schlicht diese Lücke, die einzusparen ist. „Sie werden das spüren“, kündigte Regierungschef Kai Wegner (CDU) jüngst Teilnehmern einer Tagesspiegel-Veranstaltung an.
Beitragsfreiheit auf der Kippe
Wie viel Geld das ist, lässt sich noch besser mit Blick darauf erfassen, dass es bei dem schier zersetzenden Ampel-Streit auf Bundesebene am Ende auch um 3 Milliarden ging – bei einem zwölfmal größeren Bundeshaushalt.
Spüren wird man es also. Bloß: Wie sehr und wobei? Jüngst tauchte in einer angeblichen Streichliste der CDU-SPD-Koalition auch das beitragsfreie BVG-Ticket für Schüler auf, die berlinweit umsonst fahren dürfen, egal ob sie Bus oder Bahn zur Schule nutzen oder nicht. Schon länger in der Debatte ist, Schulessen und Kita-Platz, bislang ebenfalls beitragsfrei, nur denen weiter ohne Zuzahlung zu geben, die wenig im Portemonnaie haben.
Das führt zurück in den Plenarsaal und in die erste Nach-Sommer-Sitzung: Dort will sich nämlich die Linksfraktion gegen solche Kürzungen wehren und ganz aktuell sicherstellen lassen, dass es überhaupt wieder verlässliches Essen in den Schulen gibt. In der Kantine des Parlaments, von einem anderen Unternehmen bewirtschaftet, gibt es derweil solche Probleme nicht – für Donnerstag sieht der Speiseplan dort unter anderem Königsberger Klopse und gebratenes Lachsfilet vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe