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Erste Dax-Chefin verlässt SAPCorona feuert Jennifer Morgan

Die Vielfalt in Dax-Konzernen fällt der Corona-Seuche zum Opfer: Die US-Amerikanerin Morgan muss die SAP-Doppelspitze räumen.

Abgesetzt: Jennifer Morgan ist keine Chefin mehr. Angeblich wegen Corona Foto: Anspach/dpa

Es klang so gut vor einem halben Jahr: Erstmals steht eine Frau an der Spitze eines DAX-Konzerns. Aber jetzt verlässt Jennifer Morgan das Software-Unternehmen SAP zu Ende April. Dann wird Christian Klein, mit dem die 48-jährige US-Amerikanerin Morgan den Konzern in einer Doppelspitze geführt hat, alleiniger Vorstandsvorsitzender sein.

SAP begründet die Trennung mit der Coronapandemie. „Wir müssen tagtäglich Entscheidungen in Echtzeit treffen und haben die Verantwortung für klare Anweisungen“, zitiert die Süddeutsche Zeitung Klein aus einer Telefonkonferenz am Dienstagmorgen. „Jennifer und ich haben erkannt, dass wir unseren Mitarbeitern und Kunden schnellere Entscheidungen schulden.“

Morgan, die beim Telefonat nicht dabei gewesen sein soll, habe sich mit dem Aufsichtsrat über ihren Weggang geeinigt. Es habe keinerlei persönliche Differenzen gegeben, Morgan und Klein blieben sogar „Freunde“.

Analyst*innen werten die Trennung als Zeichen dafür, dass auch der DAX-Riese SAP durch die Coronaviruskrise in Schwierigkeiten geraten sei und mit einer einzelnen Person an der Spitze schneller und leichter Entscheidungen treffen könne.

Wenn es anstrengend wird

Eigenen Angaben zufolge rechnet das Unternehmen in diesem Jahr mit rund 28 Milliarden Euro Umsatz statt mit etwas über 29 Milliarden Euro. Alles andere als eine schlechte Bilanz.

Daher steht die Frage im Raum, ob nicht eher der stärkere Organisationsaufwand und der höhere Kommunikations- und Abstimmungsbedarf der quotierten Doppelspitze dazu geführt haben, dass die Frau nach so kurzer Zeit wieder gehen musste.

Manche (Ex-)Chefinnen kennen das: Wird es anstrengend, wird das als modern angesehene Modell über den Haufen geworfen und zum traditionellen Führungsstil zurückgekehrt. Da sind häufig Weitsicht und sogenannte derzeit hoch gehandelte Softskills egal.

Bei der aktuellen SAP-Personalie zeigt sich das auf eindrückliche Weise: Morgan war seit 2004 bei SAP, seit 2017 dort im Vorstand und verantwortlich für das sensible Cloud-Geschäft. Damit ragte sie insbesondere als Frau in der Technologiebranche heraus. Das Magazin Forbes zählte die Betriebswirtin und preisgekrönte Führungskraft zu den einflussreichsten und wichtigsten 20 Frauen auf der Welt in diesem Bereich.

Ein fatales Zeichen

Der Rückzug von Morgan ist zudem ein fatales Zeichen für die Vielfalt in Unternehmensspitzen, für die in Deutschland unter anderem Lobbyorganisationen wie FidAR – Mehr Frauen in die Aufsichtsräte, der Deutsche Frauenrat und der Deutsche Juristinnenbund kämpfen.

Der Frauenanteil bei den Vorständen der 200 größten DAX-Konzerne liegt bei gut 10 Prozent. Bei den Aufsichtsräten liegt er dank der gesetzlichen Quote, die seit 2016 gilt, mittlerweile bei rund 32 Prozent.

Eigentlich wollten Justizministerin Christine Lambrecht und Familienministerin Franziska Giffey, beide SPD, sich für eine Quote für Vorstände stark machen. Diese Debatte fällt dem Coronavirus gerade zum Opfer.

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1 Kommentar

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    In den Vorstand eines Konzerns kommt man nach einem oft langen Weg durch Konzerninstanzen. Der Aufstieg ist für alle ein zäher Kampf, ein gewaltiger Selbvermarktungskraftakt, bei dem es darauf ankommt, gesehen und wahrgenommen zu werden, der eigene Name muss "nach oben" glänzen, umweht sein von Erfolgsmeldungen. Misserfolge müssen vertuscht oder anderen in die Schuhe geschoben werden. Wenn man es dann geschafft hat und CEO geworden ist, dann findet man aus diesem Egotrippmodus nicht mehr raus. Eine konstruktive, uneitle und lösungsorientierte Zusammenarbeit zweier Co CEOs dürfte da kaum möglich sein. Wahrscheinlich ist die Atmosphäre eher durch gegenseitiges Belauern und Misstrauen geprägt. Man gönnt sich gegenseitig das Schwarze nicht unter den Nägeln. Ganz egal, welche Personen konkret das Duo bilden. Der durchlaufen Auswahlprozess produzierte Typen an der Spitze, die zur kollegialen Zusammenarbeit auf Augenhöhe längst nicht mehr in der Lage sind.