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Erst aushorchen, dann abschieben

Flüchtlingsrat gegen Zwangsbefragung von algerischen Abschiebehäftlingen durch algerische Konsulatsbeamte / Distanzierung auch von Justizministerin Heidi Alm-Merk  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„In meiner Haftanstalt werde ich keineswegs Vertretern einer Diktatur unrechtmäßige Handlungen gestatten“, dies immerhin versicherte Landesjustizministerin Heidi Alm-Merk (SPD) am Sonnabend der Hauptversammlung des niedersächsischen Flüchtlingsrates. Am kommenden Mittwoch sollen in Alm-Merks hannoverschem Gefängnis 38 algerische Flüchtlinge zusammengezogen werden, die zur Zeit in verschiedensten niedersächsischen Anstalten in Abschiebehaft sitzen. Algerische Konsularbeamte wollen die Flüchtlinge in Hannover einer Befragung unterziehen.

Offiziell dient die zentrale Vernehmung, die das niedersächsische Innenministerium anberaumt hat, lediglich der Beschaffung von Pässen oder Ersatzpapieren für die Abschiebung. Doch der niedersächsische Flüchtlingsrat sieht in der Zwangsvorführung eine „Beihilfe zu Folter und Mord“. Bei der Veranstaltung ließ die Justizministerin gegnüber dem Flüchtlingsrat – die Dachorganisation der niedersächsischen Flüchtlingsinitiativen – erkennen, daß sie der Zwangsvorführung sehr skeptisch gegenüber stehe.

Bei Flüchtlingen aus Algerien sind schier endlose Abschiebehaftzeiten, die länger als ein Jahr dauern können, inzwischen zur Regel geworden. Es gibt keine Gruppe von Flüchtlingen, bei der die Abschiebehaft auch nur im entferntesten gleich lang dauert. Auch sprach Heidi Alm-Merk ganz selbstverständlich von „einer Diktatur in Algerien“, bei der das Botschaftspersonal oder die Konsularbeamten oft dem Geheimdienst zuarbeitete. Nach Auffassung des Flüchtlingsrates nutzen die algerischen Behörden gerne die deutsche Bürokratie, um von den Abschiebehäftlingen detaillierte Auskünfte zu erpressen.

So sind die algerischen Konsulate nicht bereit, einzelnen Abschiebehäftlingen Pässe oder Paßersatzpapiere auszustellen, sondern bestehen auf einer zentralen Befragung, wie sie am Mittwoch in Hannover stattfinden soll. In diesen Befragungen, die in ähnlicher Form bereits in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg stattgefunden haben, interessieren sich die algerischen Beamten nicht nur für Daten, die für die Ausstellung von Papieren notwendig sind, sondern auch für die Gründe des Asylbegehrens.

Ihr Hauptinteresse gilt den in der BRD lebenden algerischen Oppositionellen. Schweigen die Abschiebehäftlinge, müssen sie bei einer Ankunft in Algerien mit Repressalien rechnen.

Der niedersächische Datenschutzbeauftragte hat in einer Antwort auf eine Petition des Flüchtlingsrates schwerwiegende Bedenken gegen die geplante zentrale Befragung der Abschiebehäftlinge erhoben. Er sieht in der geplanten Zwangsvorführung einen „Eingriff, für den ich keine rechtliche Grundlage erkennen kann“. Die Abschiebehäftlinge müßten keinerlei Angaben machen, die über das für die Dokumentenbeschaffung notwendige Maß hinausgingen, heißt es in der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten. Für diese Angaben sei eine persönliche Vorführung der Abschiebehäftlinge keineswegs erforderlich.

Die niedersächsische Justizministerin, die im übrigen persönlich für einen Abschiebestopp algerischer Flüchtlinge eintritt, verwies am Sonnabend darauf, daß die Bundesländer Hessen und Nordrhein-Westfalen – aufgrund schlechter Erfahrungen – inzwischen von solchen zentralen Vorführungen Abstand genommen haben.

Dem Flüchtlingsrat versprach sie, noch einmal das Gespräch mit ihrem Kabinettskollegen, dem zuständigen Innenminister Gerhard Glogowski zu suchen. Einig waren sich Frau Alm-Merk und der Flüchtlingsrat am Samstag ebenfalls, daß in Niedersachsen viel zu oft Abschiebehaft angeordnet wird. Wenn das Innenministerium den Ausländerbehörden endlich Richtlinien an die Hand geben würde, dann könnte in der Hälfte aller Fälle die Abschiebehaft vermieden werden, meinte die Landesjustizministerin.

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