Erotikfilm „Love“ von Gaspar Noé: Liebe machen in 3-D
Gaspar Noé nutzt in seinem Film „Love“ so ziemlich alle Möglichkeiten der Darstellung sentimentaler Sexualität. Nur ist alles furchtbar austauschbar.
Achtung, hier passiert Schlimmes! In Ländern mit Anspruch auf die moralische Vorbildwirkung des Kinos – wie etwa in Russland – gar Verbotenes! Und das in 3-D! Was dazu führte, dass jedes Festival, das diesen vom Titel und seiner Message her ganz problemlos übersetzbaren Film zeigt, einen vorprogrammierten Skandal-Hit landete. Es sind Massen, die sich von der L.O.V.E. mit optischer Tiefenwirkung angezogen fühlen, mehrheitlich Fans von Monsieur Noé, dessen Kino seit „Irréversible“ (2002) mit dem fixen Label der „radikalen Grenzüberschreitung“ (Feld: Sex) versehen ist.
Nun, selbst wer sich auf Exzesse pornografischer Natur gefreut hat, wird insofern enttäuscht, als der erigierte Penis unseres einzigartigen Loser-Helden Murphy zwar ganz gut (aus der Leinwand heraus) kommt, sich aber das Transgressive ansonsten vor allem auf die ekstatische Dauer – sagen wir’s: Überlänge – bezieht, mit der sich Liebender und Liebende einander körperlich hingeben.
Wieder und wieder tauchen sie ein in einen buchstäblich nicht enden wollenden Rausch an Berührungen und Windungen. Meist zu zweit (Murphy mit Electra), mal zu dritt (mit Nachbarin Omi), mal high auf Opium, mal im Darkroom oder im Flur, ansonsten im Bett.
Schön, schöner, am schönsten ist das: rötlich ausgeleuchtet und unterlegt mit mehr (Funkadelic) oder weniger (Satie) originellen Klängen, symmetrisch gebaut und lichtgedämpft die Inszenierung; aalglattrasiert, Haut pur die Figuren. Direkt durchsichtig sind auch diverse metapoetische Passagen (Ironie ist dabei keine zu erkennen, wie sehr hätte man sie sich gewünscht in einem Film, wo der Hund Gaspar, der Nebenbuhler Julio und eine Galerie Noé heißt).
„Love“. Regie: Gaspar Noé. Mit Karl Glusmann, Aomie Muyock u. a. Frankreich/Belgien 2015, 134 Min.
Es fehle dem Kino an sentimentaler Sexualität, sagt Murphy zum Beispiel. Dieses Defizit wettzumachen, nimmt sich Gaspar Julio Noé Murphy offensichtlich vor. Nur ist alles furchtbar austauschbar – Sentimentalität, Sinnlichkeit, Leidenschaft, Exzess – und so radikal redundant, dass man vor lauter Langeweile ständig abdriftet … wie würde das alles aussehen, unrasierter, faltiger stellenweise?
Eifersucht und ein Kind
Aber zurück zum Film, der schauspielerisch getragen wird von einem relativen Newcomer (Karl Glusman, Markenzeichen: ultimative Gesichtslosigkeit) und zwei Models, die nach üblicher Kombinatorik verteilt sind (Aomi Muyock – cool und schwarz, Klara Kristin – brav und blond). Die Handlung lässt sich auf folgenden Nenner bringen: Aus dem Dreier wird eine fatale Dreiecksbeziehung, aus der sehr viel Eifersucht und ein Kind entspringt, dessen Existenz die Leichtigkeit der (plötzlich nicht mehr so) jungen Liebenden erschwert.
Ärgerlich wird es dann, wenn Murphy aus dem Off nicht nur unentwegt banale Flüche abfeuert (“selfish cunt“), sondern auch auf so dümmliche Weise sein eigenes Prunkstück demetaphorisiert (“I am a loser. A dick. A dick has no brain.“), dass man seinem „I fucked it all up“ leider nur zustimmen kann und ihm wünscht, seine Konsequenz daraus zu ziehen – statt in hirnlosen Selbstmitleidsmonologen zu versinken.
„Stop it, please“, hört man sich so zum Strippenzieher dieser ruinösen Plattitüden sagen, denn ganz will man es ihm nicht mehr abnehmen, dass Murphy nichts mit ihm, Gaspar, gemein hat. Zumindest etabliert „Love 3-D“ ein Kino, das ebenso hartnäckig pubertär bleiben will wie sein Held.
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