Erosionsgefahr ignoriert: Schutz für Bauern, nicht für Autofahrer

Nach dem A-19-Massenunfall kritisieren Agrarwissenschaftler die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern: Sie habe die Erosionsgefahr ignoriert.

Erosionsgefahr ignoriert: Bei der Massenkarambolage kamen 8 Menschen ums Leben, 131 wurden verletzt. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Massenunfall in einem Sandsturm auf der Autobahn 19 mit acht Toten hat Schwächen der Vorschriften zum Erosionsschutz in der Landwirtschaft offengelegt. Gestern wurde der Vorwurf laut, Mecklenburg-Vorpommern habe Bauern geschützt zulasten der Verkehrssicherheit.

Der Wind hatte Mitte April von einem frisch gepflügten Feld neben der Straße so viel Boden aufgewirbelt, dass Autofahrer die Orientierung verloren und 82 Fahrzeuge kollidierten. Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung hatten längst vor der Erosionsgefahr gewarnt.

Sie hatten in einer Studie die Fläche als "sehr stark" gefährdet kategorisiert. Die Forscher begründeten das mit den an der Autobahn vorhandenen feinen Sanden, der ebenen Fläche und dem Fehlen von Windhindernissen wie Hecken.

Das aber sah Mecklenburg-Vorpommerns Landesamt für Umwelt anders und hatte das Feld lediglich als "gering" winderosionsgefährdet eingestuft. "Es hat die Gefährdungsklasse 2", erklärte Geologe Gerd Anders von der Behörde. "Unsere Einstufung ist Ergebnis eines definierten Rechenwegs, an den wir uns halten müssen."

Monika Frielinghaus, die die Studie des Leibniz-Zentrums geleitet hat, widerspricht. "Die Fläche hätte von den Behörden höher eingestuft werden müssen", sagte sie der taz. Auch Jörg Gerke, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, sagt: "Das ist ein klarer Fehler des Landes" - der vor allem den Agrariern in Mecklenburg-Vorpommern nutzt.

Nur bei der höchsten Stufe 5 kann ein Pflugverbot ausgesprochen werden. Pflügen beschleunigt die Erosion. Nur 4 Prozent der Ackerfläche sind laut Agrarministerium in Schwerin in der höchsten Gefährdungsstufe. So gelten auch nur für diese Flächen Antierosionsauflagen. Wer sie nicht einhält, bekommt theoretisch weniger Agrarsubventionen. Diese Einschränkungen verärgern viele Bauern.

Allerdings gibt es selbst, wo die Auflagen gelten, Schlupflöcher: Findet die Aussaat zum Beispiel vor dem 1. März statt, darf zuvor auch gepflügt werden. Und auch wenn auf Kartoffeläckern die Dämme, in denen die Knollen stecken, "quer zur Hauptwindrichtung" liegen.

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