„Ernsthaft bemüht“

Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) gilt als überforderte Quotenfrau, deren politische Karriere zu Ende geht. Doch ihren Krankenhausplan hat sie durchgeboxt  ■   Von Sabine am Orde

Beate Hübner läßt sich auf den Beifahrersitz fallen und streift die hochhackigen grauen Pumps von ihren Füßen. Einen Moment lang blickt sie die Journalistin auf dem Rücksitz verdutzt an, dann lacht sie auf. „Inzwischen macht die Arbeit wieder Spaß“, antwortet die Senatorin für Gesundheit und Soziales offen und macht keinen Hehl daraus, daß das vor wenigen Monaten noch ganz anders war.

Damals stand die Christdemokratin, die mit ihrer Krankenhausplanung die ganze Stadt in Aufruhr versetzt hat, selbst in der eigenen Partei schwer unter Beschuß. „Ich hätte machen können, was ich wollte, es hätte immer Kritik gegeben“, sagt sie, während ihr Fahrer den silbergrauen BMW vom Roten Rathaus zu einer Bürgersprechstunde in Hellersdorf lenkt. Mit Klinikschließungen und Personalabbau – sie können noch so notwendig sein – schafft man sich keine Freunde. Damit hat Hübner recht. Doch sie hat, da sind sich Politiker und Gesundheitsexperten ganz unterschiedlicher Coleur einig, in der Krankenhausplanung viele Fehler gemacht.

„Ernsthaft bemüht“ lautet das vernichtende Urteil, das häufig über die Senatorin zu hören ist. Als „integer und ehrlich, aber auch naiv und politisch unerfahren“ beschreibt sie der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz. „Für die Berliner Schlangengrube hat sie nicht genug Format“, so Seitz' Fazit. „Mangelnde Professionalität und fehlendes politisches Fingerspitzengefühl“ bescheinigt der Chef der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) und CDU-Gesundheitspolitiker Franz Braun der Senatorin. Er glaubt nicht, „daß sie nach der Wahl noch einmal eine Chance bekommen wird“.

Ihre erste Chance kam sehr überraschend, auch für sie selbst. Hübner, die in den kommenden Tagen 44 Jahre alt wird, hat zuvor als Ärztin für Physiotherapie im Krankenhaus Friedrichshain gearbeitet. Seit 1981 ist die Marzahner Katholikin in der CDU, im Mai 1990 zog sie in die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung ein, im Jahr darauf ins Abgeordnetenhaus, wo sie aber kaum auffiel. Als Hübner vor gut drei Jahren überraschend von der Hinterbänklerin zur Senatorin aufstieg, war daher für viele klar: Das hat sie allein der Doppelquote (Frau und Ossi) zu verdanken.

Große Akzente hat Hübner seither nicht gesetzt. Nur in der Ausländerpolitik und beim Ladenschluß fiel die Senatorin, die insgesamt eher dem liberalen Flügel ihrer Partei zugeordnet wird, durch Initiativen auf – auch im Bundesrat. Dort will der Senat sich jetzt für die Freigabe der Ladenöffnungszeiten einsetzen, dort hat Hübner auch die längst beschlossene Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes initiiert. Auch sonst setzt sie bei Flüchtlingen auf einen restriktiven Kurs: Berlin hat auf ihre Anordnung als erstes Land Flüchtlinge zum Einkauf mit einer Chipkarte gezwungen. Außerdem machte Hübner mit der umstrittenen Hundeverordnung von sich reden und mit dem Skandälchen, daß sie bei den Haushaltsverhandlungen nicht im Senat, sondern auf einem Akupunkturkurs weilte. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung hat die Krankenhausplanung das alles überlagert.

Gerade diese aber überließ die Hübner, die ihren Job ohne Fach- und Verwaltungwissen übernahm, ihrem Staatssekretär, dem als kompetent, aber auch sehr schwierig geltenden Detlef Orwat. An Orwat, der mit Eberhard Diepgen und Klaus Landowsky zwei mächtige Freunde in der CDU hat, war bereits Hübners Vorgänger Peter Luther gescheitert. Drei Jahre lang stand sie im Schatten Orwats, der machte, was er wollte – wenn nötig auch hinter Hübners Rücken. Doch im vergangenen Herbst hatte die Senatorin, der nicht nur von Ärztekammerpräsident Günther Jonitz, „extrem gute Nehmerqualitäten“ bescheinigt werden, genug. Als der Regierende Bürgermeister nach der vernichtenden Niederlage der CDU bei der Bundestagswahl extrem geschwächt war, stellte Hübner ihn vor die Alternative „Orwat oder ich“ und setzte darauf, daß Diepgen sie als einzige Ostsenatorin nicht ziehen lassen würde. Mit Erfolg: Orwat wurde in die Wirtschaftsverwaltung versetzt. „Zurückgetreten wäre ich nicht, aber ich habe einkalkuliert, daß die Partei mich zwingt zu gehen“, sagt sie nachdenklich. Und: „Ich hätte mich früher durchsetzen müssen.“ Doch sie weiß auch, daß sie dann gescheitert wäre.

„Diesen Coup hat ihr niemand zugetraut“, urteilt der bündnisgrüne Gesundheitspolitiker Bernd Köppl, „da ist sie erst wirklich Senatorin geworden.“ Doch plötzlich war Hübner selbst für die Krankenhausplanung verantwortlich – „eine fast unlösbare Aufgabe“, wie Köppl meint. Denn Orwat hatte den Konflikt mit Klinikchefs und Krankenkassen, die auf Einsparungen drängten, auf die Spitze getrieben und zudem die Verwaltung auf sich eingeschworen. Vertraute rieten der Senatorin, sich von einigen MitarbeiterInnen zu trennen – doch das tat sie nicht. Anfang des Jahres bezahlte sie dafür: Ihre Schließungsliste gelangte durch Indiskretion an die Öffentlichkeit. Als Hübner dann an dieser Liste noch zahlreiche Veränderungen vornahm, die selbst Nonnen und einen Kardinal auf die Straße trieben, war das Chaos perfekt. „Das hat sie ihre restliche Reputation gekostet“, sagt Köppl, dem einige Mitglieder der CDU-Fraktion einen Mißtrauensantrag gegen Hübner ans Herz legten.

Doch die Senatorin boxte ihren Krankenhausplan durch, inzwischen hat der Senat ihn verabschiedet. „Wer hätte das Beate Hübner zugetraut“, so gratulierte Diepgen der Senatorin auf den CDU-Landesparteitag. Doch trotz verheerender Kritik und geringen Chancen will Hübner auch nach der Wahl als Senatorin „weitermachen“. Ins Parlament wird sie nicht mehr einziehen: Ihr Kreisverband hat sie nicht nominiert.

Wahrscheinlich wird sie wieder als Ärztin arbeiten und mehr Zeit mit der Familie verbringen. Ihren Mann und die vier Kinder hat sie in den vergangenen Monaten dank Krankenhausplan kaum gesehen. „Ich bin jetzt alleinerziehende Mutter und muß eine Stunde Haushalt pro Tag einplanen“, sagt sie augenzwinkernd. Die Jobsuche hat ihren Mann nach Aschaffenburg verschlagen, er ist nur am Wochenende in Berlin.

„Ich möchte mich bei ihnen bedanken“, strahlt eine Kinderkrankenschwester, die der Senatorin bald bei der Bürgersprechstunde gegenübersitzt. „Ich bin so froh, daß sie den Lindenhof gerettet haben.“ Die Lichtenberger Kinderklinik hat Hübner wieder von ihrer Schließungsliste gestrichen. Die Senatorin strahlt zurück: „Nach all der Kritik geht das runter wie Öl.“