: Ernst, aber nicht hoffnungslos
■ Ohnsorg-Theater muß sparen / Intendant Bayer trat zurück
Steht das renommierte Ohnsorg-Theater vor dem finanziellen Abgrund? Herrscht auf den Hamburger Brettern, die die Welt bedeuten, aufgrund eines Defizits von fast einer Million Mark demnächst Sprachlosigkeit? Es wurde heftig debattiert und noch wilder spekuliert, nachdem die NDR Hamburg-Welle zu Wochenbeginn eine angebliche ökonomische Malaise publik gemacht hatte. Jetzt gaben die verantwortlichen Theaterleute Entwarnung: Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos.
Von einem Defizit in Höhe von 900.000 Mark war im NDR-Bericht die Rede gewesen und von einem Sanierungskonzept, daß der Aufsichtsrat auf seiner gestrigen Sitzung hätte erörtern müssen, um dringend notwendige Einsparmöglichkeiten zu finden. „Alles maßlos übertrieben“, wettert Ingo Mix, der Pressesprecher der Hamburger Kulturbehörde. Das Defizit sei um ein Vielfaches geringer als „diese Horrorzahlen“. Es bewege sich in einer Größenordnung von 300.000 Mark. Ursache dafür seien, so Ohnsorg-Dramaturg Kay Carius, eine unvorhergesehene Steigerung von Personalkosten und Warenausgaben.
Ebenfalls ins Reich der Phantasie verwies Mix Informationen, nach denen sich die Kürzungen der staatlichen Zuschüsse auf eine halbe Million Mark belaufen würden. Es seien „nur“ etwa 205.000 Mark, korrigierte der Behörden-Vertreter. Diese „globale Minderausgabe“ sei aufgrund von umfangreichen Sparbeschlüssen der Stadt entstanden. Und die beträfen auch andere Bereiche. Das Theater stehe mit solcherart Problemen nicht alleine da. „Ein paar Leute haben da einfach ein paar Jahre im voraus weitergerechnet“, analysierte Mix.
Völlig aus der Luft sind die Zahlen jedoch nicht, muß auch Mix eingestehen. Sollte sich an der Struktur der Spielstätte nichts ändern, ist ein Wachsen des Defizits nicht auszuschließen. Für 1995/96 betrage die Gesamtunterstützung für das Ohnsorg-Theater aber immer noch über drei Millionen Mark.
Dramaturg Carius glaubt, daß eine neue Struktur stärker darauf ausgerichtet sein müsse, sich auf das Wesentliche zu beschränken. So sollten vor allem die „Abstecher“ eingeschränkt werden. Bei diesen Reisen gastiert eine Ohnsorg-Truppe für Einzelauftritte in anderen Städten. Auch eine Reduzierung von Vier- auf Zwei-Personenstücke wäre als Maßnahme zur Kostensenkung denkbar.
Vielleicht eröffnet ja auch der Rücktritt des Intendanten Thomas Bayer neue Sanierungsmöglichkeiten. Der 45jährige, der im Sommer 1994 die Leitung übernommen hatte, bat gestern um die Auflösung seines Vertrages zum 31. Dezember. Als Nachfolger ist der ehemalige Geschäftsführer des 1902 gegründeten Privtattheaters, Christian Seeler, im Gespräch. L. Hinz
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