Erneutes Massaker in Syrien: Mehr als 150 Menschen getötet
In der Provinz Hama haben syrische Regierungstruppen zwischen 150 und 200 Menschen getötet, berichten Aktivisten und Aufständische. Ganze Familien seien umgebracht worden.
BEIRUT afp/dpa | Syrische Regierungstruppen haben nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten und Aufständischen ein neues Massaker an Zivilisten verübt. Zwischen 150 und mehr als 200 Menschen wurden nach unterschiedlichen Angaben am Donnerstag in der Ortschaft Treimsa in der zentralsyrischen Provinz Hama getötet.
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden in Treimsa mehr als 150 Menschen getötet. Der Chef der in London ansässigen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, sagte, sollte sich die Opferzahl bestätigen, wäre Treimsa das schlimmste Massaker seit dem Beginn des Aufstands in Syrien im März 2011.
Der Rebellenführer Abu Mohammed sprach von mehr als 200 Toten. Ein Dorfbewohner habe ihm am Telefon berichtete, dass Treimsa zehn Stunden lang beschossen worden sei. Ein Aktivist in Hama, der sich im Gespräch mit AFP Abu Ghasi nannte, sagte, die Truppen hätten eine Moschee beschossen, in der zahlreiche Menschen Zuflucht gesucht hätten. Die Moschee sei eingestürzt und habe die Menschen unter sich begraben.
„Etwa 30 Armeefahrzeuge kamen und umstellten das Dorf vollständig“, sagte Ibrahim, ein Aktivist aus Treimsa. „Wer durch die felder zu entkommen versucht, wurde beschossen.“ Nach den Angriffen mit Hubschraubern und Panzern seien Soldaten mit leichten Waffen in das Dorf eingedrungen, gefolgt von „mit Messern bewaffneten“ Schabiha-Milizionären. „Ganze Familien wurden getötet“, sagte Ibrahim.
„Eine Schande für den UN-Sicherheitsrat“
Die amtliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, die Armee bekämpfe eine Gruppe „Terroristen“ in dem Ort Stadt und habe diesen „schwere Verluste“ zugefügt. Auch drei Soldaten seien getötet worden. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben zu den Kämpfen und den Opfern in Treimsa war zunächst nicht möglich.
Der Chef des oppositionellen Syrischen Nationalrats, Abdel Basset Sajda, sprach von einem „Massaker“: „Das ist eine Schande für den UN-Sicherheitsrat und die Arabische Liga.“ Sajda forderte eine Resolution unter Kapitel VII der UN-Charta, die „alle Optionen auf den Tisch bringt“, darunter auch den Einsatz von Gewalt. „Dieses syrische Regime versteht nur die Sprache der Gewalt“, sagte er dem Fernsehsender Al-Dschasira.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf dem syrischen Regime vor, auch Streubomben gegen seine Gegner eingesetzt zu haben. Videos, die anscheinend ein syrischer Regierungskritiker Anfang der Woche ins Netz gestellt habe, deuteten darauf hin, dass die international geächtete Munition eingesetzt worden sei, teilte Human Rights Watch am Donnerstag in New York mit.
Russland droht mit Veto
Russland bezeichnete unterdessen einen vom Westen eingebrachten Resolutionsentwurf zu Syrien als „inakzeptabel“ und drohte mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat. „Insgesamt ist dieses Projekt nicht ausgeglichen“, da allein die syrische Regierung Pflichten auferlegt bekomme, sagte der russische Vize-Außenminister Gennadi Gatilow nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Sollte am Donnerstag in New York darüber abgestimmt werden, werde Russland sein Veto einlegen. Russland ist ein enger Verbündeter der Regierung von Syriens Präsident Baschar al-Assad.
Zuvor hatten die Botschafter der fünf UN-Vetomächte – USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – in New York erstmals über den Text beraten, der von den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland eingebracht worden war. Der Text setzt Damaskus eine zehntägige Frist zum Rückzug der Truppen aus den Städten und droht andernfalls mit der Verhängung von Wirtschaftssanktionen gemäß Kapitel VII der UN-Charta. Zudem verlängert er das Mandat der UN-Beobachtermission in Syrien um 45 Tage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin