Erneut Abschiebungen nach Iran: Ein systemimmanentes Problem
Das Ende des Bleiberechts für Iraner:innen ist nicht allein rechter Hetze zuzuschreiben. Vielmehr sind Verteilungsfragen im Kapitalismus das Problem.

W ünsche für das neue Jahr? Für viele geflüchtete Menschen dürfte ein unbefristeter Aufenthaltstitel wohl ganz oben auf der Liste stehen. Für schutzsuchende Iraner*innen lief ein bundesweites, zeitlich befristetes Bleiberecht zum neuen Jahr jedoch zunächst aus.
Der Grund für das Ende ist nicht etwa eine verbesserte menschenrechtliche Lage in Iran. Weiterhin ist sie geprägt von Willkür und massiver Repression – besonders gegen Frauen, gesellschaftliche Minderheiten und Oppositionelle.
Manche denken, dass Deutschland dennoch wieder nach Iran abschieben will, ist ein Verdienst derer, die scheinbar unstillbar nach Abschiebungen lechzen. Rechtsextremist*innen sind aber nur die Steigbügelhalter für eine unsoziale Klassenpolitik von oben. Mit ihren migrationsfeindlichen Hasstiraden legitimieren sie nur die immer härter werdende deutsche Linie in der Asylpolitik. Diese ist jedoch vielmehr getrieben von einem Verteilungsproblem. Deutschlands Mittel sind knapp.
Deutschland will weder Unternehmen noch hohe Erbschaften, geschweige denn große Vermögen (stärker) besteuern. Deshalb muss Deutschland sparen. Also spart Deutschland auch in der Versorgung geflüchteter Menschen. Das bedeutet auch, dass weniger Menschen zugestanden wird, langfristig zu bleiben. Die Messlatte dafür, wer einen Schutzstatus erhält, wird entsprechend erhöht. Aktuell gilt: nur wem mit „beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ eine Verfolgung in Iran droht, darf bleiben.
Ein politischer Offenbarungseid
Damit scheint jedoch ein Limit erreicht zu sein: Wenn auch abgeschoben wird, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung droht, verliert die deutsche Asylpolitik ihr letztes bisschen menschliches Antlitz.
Ob es so weit kommt, ist eine Systemfrage. Im Kapitalismus wird sie zuungunsten schutzsuchender Menschen beantwortet. Der auslaufende Abschiebungsstopp nach Iran ist ein politischer Offenbarungseid: es gibt auf lange Sicht keine Menschenwürde im Kapitalismus.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin