■ Ermittlungsverfahren Pflugradt: Von Bock's Fehler
Der ehemalige Oberstaatsanwalt und jetzige Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach hat im Ermittlungsverfahren wegen sexueller Nötigung gegen den stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Pflugradt schwere Fehler gemacht. Das geht aus einem Bericht hervor, den Generalstaatsanwalt Janknecht auf Anfrage des Justizressorts erstellt hat.
Schon Anfang des Jahres hat von Bock Pflugradt „in seinem Dienstzimmer empfangen.“ Der ehemalige Oberstaatsanwalt fertigte damals allerdings keinen Aktenvermerk an. Hätte nicht ein Beamter der Justizgeschäftsstelle den Besuch Pflugradts beobachtet, wäre die Sache vermutlich nicht ans Licht gekommen. Pflugradt sowie von Bock hatten mehrfach auch gegenüber der taz betont, nicht miteinander gesprochen zu haben.
Gestern räumte von Bock gegenüber der taz hingegen ein, daß Pflugradt im Januar bei ihm gewesen sei. „Ich habe mit ihm gesprochen – ihn aber nicht vernommen“, betonte von Bock. „Ich habe ihm gesagt, daß ein Verfahren läuft in dessen Zusammenhang sein Name auftaucht.“ Ansonsten wollte sich von Bock dazu nicht äußern.
Der Beamte der Justizgeschäftsstelle hatte Janknecht „erst vor wenigen Wochen“ von dem Besuch Pflugradts beim ehemaligen Oberstaatsanwalt erzählt. „Es gibt zwar keine Vorschriften, über was Aktenvermerkte geschrieben werden müssen. Aber wenn ein Zeuge mit dem sachbearbeitenden Staatsanwalt spricht, wäre es sachgerecht gewesen, einen Vermerk anzufertigen“, sagt Janknecht. Auch Justiz-Staatsrat Michael Göbel versteht nicht, warum von Bock den Besuch Pflugradts nicht per Aktenvermerk festgehalten hat. „Daß das nicht korrekt war, ist keine Frage.“
Das Ermittlungsverfahren werfe darüber hinaus „eine Reihe kritischer Fragen auf“, so Göbel. Der Verteidiger von Pflugradt hatte offenbar schon vor dem 9. Februar Akteneinsicht – also bevor die Akte bei der Staatsanwaltschaft offiziell als „JSU-Akte“ (Täter unbekannt) eingetragen wurde. Die Vollmacht ist vor dem 9. Februar datiert. „Das ist in der Tat komisch“, wundert sich Janknecht. Über die Akteneinsicht des Verteidigers gibt es ebenfalls keinen Aktenvermerk.
Danach wanderte die Vollmacht des Anwalts in die inoffizielle Handakte von Bocks. Und zwar obwohl „in die Handakte nur Stichwortzettel und Fotokopien gehören“, so Göbel. „Die Vollmacht hätte zur Akte (offizielle Ermittlungsakte) genommen werden müssen“, schließt auch Janknecht in seinem Bericht.
Derzeit überprüft Oberstaatsanwalt Wolfgang Litzig die rund 130 offenen Verfahren, die von Bock bei seinem Wechsel ins Innenressort hinterlassen hat. In dem Berg unerledigter Akten sollen etliche Verfahren im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum „Tag der deutschen Einheit“, dem 3. Oktober 1994, verjährt sein.
Am 17.11. stehen die Ergebnisse auf der beider Bericht auf der Tagesordnung der Justizdeputation. Danach werden die Berichte dem Innensenator Ralf Bortscheller (CDU) vorgelegt. Als jetziger Dienstherr von Bocks kann er allein darüber entscheiden, ob gegen seinen Staatsrat die Vorermittlungen zu einem Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Ob er dies tut, ist fraglich. Sein Staatsrat „genieße sein vollstes Vertrauen“ ließ Borttscheller die taz wissen.
Helga Trüpel, Fraktionsprecherin der Grünen, forderte Borttscheller gestern nochmals auf, seinen Staatsrat vorläufig vom Dienst zu beurlauben: „Die Grünen fordern eine rückhaltlose öffentliche Aufklärung“. Ansonsten setze „die Große Koalition dem Verdacht aus, sie handle nach dem Motto: Schonst Du meinen Staatsrat Hoppensack, schone ich Deinen Staatsrat von Bock.“ kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen