Ermittlungserfolg im Profi-Tennis: Endlich ein dicker Fisch
Im Vorfeld der French Open wurde der Argentinier Nicolas Kicker wegen Spielmanipulation gesperrt. Ein Erfolg trotz der überlangen Ermittlung.
Beim Challenger-Turnier im kolumbianischen Baranquilla ereignete sich vor knapp drei Jahren wohl einer der schwersten Sündenfälle der Branche. Erst jetzt, gerade in einem Moment, da der Sport eines seiner Hochämter feiert, bei den French Open in Paris, wurde öffentlich, was sich im September 2015 bei dem Wettbewerb abspielte: Ein offenbar verschobenes Match, unter Mitwirkung eines Mannes, der immerhin auf Platz 95 der Weltrangliste steht.
Nicolas Kicker, 25-jähriger Argentinier, soll die Partie in Baranquilla absichtlich verloren haben. Nun droht ihm, nachdem ihn die Antikorruptionseinheit (TIU/Tennis Integrity Unit) vorübergehend aus dem Verkehr gezogen hat, eine lebenslange Sperre.
Das Pikante an Kickers Fall ist, wie so oft im Tennis, die erhebliche Frist, die zwischen der Tat und ihrer Sanktionierung liegt. Obwohl über die Partie schon unmittelbar nach dem anrüchigen Verlauf hitzig spekuliert wurde, dauerte es bis zum März 2018, ehe in Miami eine offizielle Anhörung stattfand. Und auch nach dieser Anhörung durfte Kicker erst einmal weitermachen. Er spielte daher noch sechs Turniere im Frühjahr, vertrat Argentinien noch im Davis Cup.
Erst kurz vor den French Open wurde es den Leuten von der TIU offenbar zu heiß. Am letzten Donnerstag wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, wonach Kicker für schuldig befunden worden sei, nicht nur wegen des Vorfalls in Kolumbien, sondern auch noch in weiteren Anklagepunkten, etwa der mangelnden Kooperation mit den Korruptionsjägern.
„Ein Urteil wird später verkündet“, teilte die TIU mit, „Nicolas Kicker darf bis dahin an keinen Turnieren mehr teilnehmen.“ Er wird es, so viel ist absehbar, auch nach dem Urteil nicht tun dürfen.
Auch ein Erfolg
Bei aller Kritik am langen, überlangen Ermittlungsprozess: Für die Fahnder ist der Fall Kicker auch ein Erfolg, vor allem, da ihnen bisher gern vorgeworfen wurde, in den Spitzenregionen des Tennis nicht wirksam genug gearbeitet und nur kleine Fische erwischt zu haben. Kicker, schon einmal die Nummer 78 der Welt, erscheint nun sogar als prominentester Name auf den Sünder-Listen.
Kicker ist der 37. Profi, den die TIU wegen Fehlvergehens anklagte – meist handelte es sich um Spielmanipulationen. Zehn Spieler bekamen bisher die Höchststrafe, eine lebenslange Sperre, Kicker könnte der elfte werden.
Nicolas Kicker
In der virtuellen Welt geht nur wenig verloren, beispielsweise auch nicht Kickers seltsame Doppelfehler in jenem Spiel, die er in der Schlussphase mit Aufschlägen tief ins Netz produzierte. Kicker gewann damals den ersten Satz, aber was dann passierte, rief umgehend Wettexperten auf den Plan. Denn trotz seiner Führung liefen plötzlich serienweise Zocker ins Lager seines Gegners Lapentti über.
Es konnte eigentlich nur eine Erklärung geben: Sie wussten, dass Kicker verlieren würde. Oder besser: sollte und wollte. Ein Insider berichtete, auf das unscheinbare Match weit, weit abseits des großen Tennis, seien Einsätze von mehr als 800.000 Euro platziert worden.
Scheinheiligkeit kritisiert
Kicker wurde bereits im Herbst 2015 mit Vorwürfen konfrontiert, wies die Anschuldigungen aber zurück. Er berichtete auch von Drohungen, die er von Wettern erhalten habe, die falsch gelegen hätten: „Man kriegt ständig diese Anfeindungen. Es ist schwer genug: Aber ich versuche, da ruhig zu bleiben.“
Kicker kritisierte damals auch die Scheinheiligkeit im Tennis, oft genug gehörten Wettfirmen zum Sponsorenpool von Turnieren. Erst kürzlich hatte eine von den Tennisorganisationen eingesetzte Kommission tatsächlich empfohlen, solche Partnerschaften nicht mehr zuzulassen.
Was und wer genau zu Kickers Sperre geführt hat, liegt bisher noch im Dunkeln. Im Januar hatte er seinen bisher größten Karriereerfolg errungen, einen Drittrundeneinzug bei den Australian Open. Es bedeutete auch den größten Preisscheck, 142.500 australische Dollar (etwa 90.000 Euro). Kicker sagte im Anschluss an diesen Erfolg, er sei glücklich, „auch, weil ich hoffentlich nicht mehr dauernd meine Eltern anpumpen muss“.
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