Erleichterung am Millerntor: Mit Geduld den Fehlstart verhindert
Die Fußballer des FC St. Pauli kämpfen sich mit einem 2:1-Sieg über Sandhausen aus der Krise. Fans freuen sich über die Rückkehr ihres "Capitano" und verhöhnen "van der What?"
HAMBURG taz |Die Szene war symptomatisch: Perfekt von Finn Bartels angespielt, kam Marius Ebbers nach 76. Minuten frei vorm Tor in Ballbesitz. Doch der Ball wollte St. Paulis blondem Mittelstürmer nicht gehorchen, Ebbers geriet ins Stolpern und schon schien die Chance vertändelt. Aber dann erwischte Ebbers mit letzter Mühe die Kugel doch noch und schob sie ins Sandhausener Netz. „Da bin ich aus dem Tritt gekommen“, räumte der 34-Jährige später ein, um sich sofort mit einem breiten Schmunzeln zu korrigieren: „War natürlich alles nur ein Trick.“
Ins Straucheln geraten und mit großer Mühe am Ende doch noch erfolgreich – so lässt sich der gesamte Auftritt des Zweitligisten gegen die Aufsteiger aus Sandhausen skizzieren. Nach drei sieglosen Ligaspielen zum Saisonstart habe das Team „gewaltig unter Druck gestanden“, sagte Abwehrspieler Markus Thorandt. Um einen Fehlstart und die erneute Trainerdiskussion zu vermeiden, habe man „gewinnen müssen“.
Prompt legten die Hamburger los, doch die Sandhausener taten es ihnen gleich und hatten in der munteren Anfangsphase durch Stürmer Frank Lönig die besseren Möglichkeiten. Nach einer Viertelstunde erarbeiteten sich die Gastgeber ein Übergewicht, aber die Gäste blieben durch pfeilschnell vorgetragene Konter gefährlich und hätten nach 20 Minuten die Führung erzielen müssen.
Im Verlauf des weiteren Spiels wurden die Offensivaktionen der Sandhausener seltener und der Hamburger Druck nahm zu. Nach einer Doppelchance durch Thorandt und Florian Bruns unmittelbar vor dem Pausenpfiff schnürten die Kiezkicker die Baden-Württemberger in der zweiten Halbzeit ein: Sie agierten druckvoll aber planlos.
Jeder Hamburger durfte mal am Sandhausener Tor vorbeischießen und auch ein wahres Eckenfestival brachte 70 Minuten lang den Sandhausener Kasten nicht wirklich in Gefahr. Bis schließlich Finn Bartels sich nach einem zu kurz abgewehrten Eckball ein Herz fasste, aus 14 Metern abzog und tatsächlich zur mittlerweile verdienten 1:0-Führung traf.
„Da schaut man schon auf den Uhrzeiger“, kommentierte Markus Thorandt das vorangegangene Geduldsspiel, das vor allem deutlich gemacht hatte, dass die Hamburger derzeit weder über die Kreativität verfügen, eine massierte Abwehr auch mal auszuspielen, noch über die Kaltschnäuzigkeit, sich bietende Chancen eiskalt zu nutzen.
Eine weitere Schwäche der Hamburger wurde nach der Führung offenbar: die Fähigkeit, eine Führung souverän über die Zeit zu bringen. Schon drei Minuten nach der Führung erzielte Klotz den vermeintlichen Sandhausener Ausgleich, der aber wegen einer umstrittenen Abseitsentscheidung annulliert wurde. Und kurz nachdem Ebbers mit seinem „Trick“ zum 2:0 erhöht hatte, verkürzte der Sandhausener Pischkorn per Kopfball nach einer Ecke zum 1:2-Endstand. „Viel zu passiv“ sei sein Team nach der Führung gewesen, ärgerte sich der Hamburger Mannschaftsführer Fabian Boll.
Dessen Vorgänger, „Capitano“ Fabio Morena, inzwischen in Sandhausener Diensten, musste sich erstmals in der Kabine der Auswärtsmannschaft umziehen und wurde schon vor Anpfiff von den 21.600 Fans gefeiert, die auf ihren Transparenten auch eine Personalie des großen Nachbarn auf die Schippe nahmen: „van der What?“.
Nach Abpfiff für sein neunjähriges Gastspiel am Millerntor geehrt, mit wohllobenden Worten und stimmgewaltigen „You‘ll never never walk alone“-Fangesängen verabschiedet, bedankte sich Morena mit der freundlichen Analyse, sein alter Club gehöre unzweifelhaft „in das erste Tabellendrittel“. Diese Prognose aber zeugt derzeit nur von großer Höflichkeit oder wachsender Distanz zwischen dem Kiezclub und seinem ehemaligen Abwehrstrategen. Nach vier Spieltagen steht der Club nun immerhin dort, wo er nach seinen bisherigen Leistungen auch hingehört: im gepflegten Mittelfeld.
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