■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Erlebnis Verwaltungsreform
Wenn es um Erkenntnisse zum Stand der Bremer Verwaltungsreform geht, dann ist jeder einzelne Besuch einer Meldestelle lehrreicher als ein ganzes Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung. Genau zwei Jahre ist es her, da mußte Rosi Roland ein polizeiliches Führungszeugnis beantragen. Schon beim zweiten Anlauf war der richtige Zeitpunkt gefunden, um die Tür der „Zentralen Meldestelle“ in der Bahnhofstraße offen vorzufinden.
Nach Aufruf ihrer Nummer tritt Rosi mit gezückter Wartenummer in ein schmuckes Großraumbüro. Zahlreiche Computer legen ihr dezent surrendes Zeugnis vom Einzug moderner Technik in die öffentliche Verwaltung ab. Die Sachbearbeiterin, nennen wir sie Frau Ewald, nimmt den Personalausweis entgegen, tippt den Namen in ihren Computer ein und – wer hätte es gedacht – hat schon beim zweiten Anlauf Rosis Personendaten auf dem Bildschirm.
Doch jetzt dreht sich Frau Ewald halb zur Seite, zieht ein Formular aus der Schublade und spannt es in ihre Olympia ein. Flink tippen ihre Finger die Daten vom Bildschirm ab. Ratsch wird das Formular herausgezogen. Stimmen alle Eintragungen? Bis auf einen Buchstaben im Nachnamen alles in Ordnung. Frau Ewald bessert mit Tippex nach und ist zufrieden. Macht zehn Mark. „Und wenn ich mit Rotstift ,eilt' dazu schreibe, geht es ein bißchen schneller“, verspricht Frau Ewald und tut es.
Zwei Jahre später, gleicher Ort, gleiches Zimmer, gleicher Computer und gleiche Sachbearbeiterin: Wieder braucht Rosi Roland ein polizeiliches Führungszeugnis. Wieder tippt Frau Ewald den Namen in ihren sichtbar um zwei Jahre gealterten Computer, wieder erscheinen flugs die Personendaten auf dem Bildschirm. Doch jetzt wird sie auf einen Knopf drücken und schwuppdiwupp spuckt der Drucker das komplett ausgefüllte Formular aus. Oder werden die Daten gar über die Datenautobahn direkt ans Bundeszentralregister in Koblenz gebeamt?
So stellt sich Rosi Roland Verwaltungsreform vor. Aber was tut Frau Ewald: halbe Drehung, Formular aus der Schublade gezogen. Doch die Olympia ist nicht mehr. Mit dem Kuli mit der Hand füllt sie jetzt Feld für Feld aus. Macht fünfzehn Mark. Ob sie vielleicht mit Rotstift „eilt“ dazuschreiben könne? „Nein, das machen wir überhaupt nicht mehr“, sagt Frau Ewald. Es gibt sie also doch, die Verwaltungsreform, weiß jetzt
Rosi Roland
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