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ErkundungErdölsuche in Trinkwassergebiet

Eine Firma will in der Eckernförder Bucht nach Erdöl suchen – mitten im Einzugsgebiet des Wasserbeschaffungsverbandes Mittelschwansen.

Die Bohrinsel vor der Halbinsel Schwansen wurde vor 14 Jahren stillgelegt: Jetzt könnte die Förderung an Land weitergehen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Erdölförderung in einem Trinkwassereinzugsgebiet – was sich wie ein Schildbürgerstreich anhört, plant die norwegische Firma Central Anglia auf der Halbinsel Schwansen an der Eckernförder Bucht.

Ende vergangener Woche sind 350 Menschen einem Aufruf des Wasserbeschaffungsverbandes Mittelschwansen gefolgt und haben gegen das Vorhaben demonstriert. Sie befürchten, mögliche Erkundungsbohrungen und eine anschließend Ölförderung könnten das Trinkwasser vergiften. „Außer als die Damp-Holding an die Helios-Kliniken verkauft wurde, hat es hier noch nie so eine große Demonstration gegeben“, sagt der Verbandsvorsteher Horst Böttcher.

Central Anglia hat beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld eine „Aufsuchungserlaubnis“ für das „Bewilligungsfeld Waabs“ beantragt – mitten im Einzugsgebiet des Wasserwerks. Eine solche Erlaubnis würde die Firma zu einer Recherche berechtigen, ob sich im Untergrund womöglich Erdgas oder Erdöl findet. Dazu kann ein Aktenstudium ebenso dienen wie die Durchsicht von Diplomarbeiten. Erkundungen, bei denen in den Boden eingegriffen wird, wie Probebohrungen, müssten in einem zweiten Schritt extra beantragt werden.

Der Wasserverband kritisiert, dass Probebohrungen die Deckschichten seines Grundwasserleiters perforieren würden. Es ist nach oben und unten so gut abgedichtet, dass an der Erdoberfläche bisher nicht einmal ein Trinkwasserschutzgebiet ausgewiesen wurde. „Dadurch, dass wir die Tonschicht haben, brauchen wir kein Schutzgebiet“, sagt der Verbandsvorsteher. Wenn diese durchstoßen würde, wäre es damit vorbei.

Ölsuche

Das Gebiet, in dem gesucht werden soll, betrifft die Wasserwerke Klein-Waabs, Eckernförde-Nord und Eckernförde-Süd. Zusammen fördern sie knapp 3,5 Millionen Kubikmeter Trinkwasser im Jahr.

Eine Aufsuchungserlaubnis erlaubt nur die Auswertung von Daten und Akten.

Ein Betriebsplanverfahren müsste in einem weiteren Schritt beantragt werden, sofern tatsächlich gebohrt werden soll.

Eine Erlaubnis ermöglicht es, Bodenschätze aufzusuchen; eine Bewilligung, diese zu fördern.

„Wir versorgen in den Sommermonaten bis zu 35.000 Menschen mit Trinkwasser“, sagt Böttcher mit Blick auf die zahlreichen Touristen an der Ostseeküste. Der Gesetzgeber stelle an dessen Sauberkeit und damit an die Arbeit der Wasserwerke höchste Anforderungen. Dass unter diesen Voraussetzungen mitten in einem Trinkwassereinzugsgebiet nach Öl gebohrt werden soll, hält er für irrwitzig. „Ich kann nicht verstehen, warum das im Bundesbergbaugesetz so lax gehandhabt wird“, sagt er.

Nach dem Bundesbergrecht haben laut einer Auskunft des Kieler Umweltministeriums Unternehmen einen Anspruch darauf, Bodenschätze „aufsuchen“ zu dürfen – es sei denn, es stünde dem ein überwiegendes öffentliches Interesse entgegen. Ob eine Gefahr für das Wasser bestehe, könne jetzt noch nicht geprüft werden, weil noch nicht absehbar sei, was Central Anglia konkret vorhabe.

Nicht nur beim Wasserverband, sondern auch bei den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden lässt das Vorhaben die Alarmglocken schrillen. „Die ehrenamtlichen Bürgermeister sind alle entsetzt über die Mitteilung“, sagt Gunnar Bock, Direktor des Amtes Schlei-Ostsee. Sie alle haben nach dem Bundesbergrecht bei der Genehmigung der Ölsuche nichts zu melden. Auf eine Anweisung des Kieler Umweltministeriums hin dürfen sie nun wenigstens zu dem Vorhaben Stellung nehmen.

Das Landesbergamt nimmt die Stellungnahme zur Kenntnis, muss sie aber nicht berücksichtigen. Außerdem müssen die Gemeinden die Unterlagen vertraulich behandeln, um möglichen Konkurrenten von Central Anglia keinen Vorteil zu verschaffen. Nach Auskunft des Umweltministeriums können mehrere Firmen auf das gleiche Gebiet Ansprüche anmelden. Den Zuschlag erhalte, wenn überhaupt, derjenige, der am effizientesten fördern könne.

Schleswig-Holstein dränge im Bundesrat darauf, das Bergrecht zu ändern, um die Kommunen früher in die Planungen einzubinden, sagt Nicola Kabel, Sprecherin des grünen Umweltministers Robert Habeck. „Wir wollen als Behörde beteiligt werden“, sagt Verbandsvorsteher Böttcher. Einen Erfolg konnte er immerhin verbuchen. Bei der Kundgebung in Waabs durfte er verkünden, dass Umweltminister Robert Habeck auf die Halbinsel Schwansen kommen wird, um mit den Akteuren vor Ort zu sprechen.

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2 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Es ist halt was anderes, wenn bei uns hier die Umwelt verpestet wird und nicht weit weg, wie z. B. in Nigeria oder Ecuador.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Sieht es etwa so aus, als hätten die Bürger hier mehr Möglichkeiten, die Pobebohrungen und damit die Gefährdung ihres Trinkwasserreservoirs zu verhindern?

       

      Das müssen wir wohl oder übel abwarten.