: Eritrea
■ betr.: „Die neue alte Ungleich heit“, taz vom 17. 10. 96
[...] Mit ihrem längeren Bericht über Eritreas Frauen zeigt die taz echtes, kritisches Interesse und schreibt damit wohltuend gegen die inzwischen unzähligen Eritrea verklärenden Berichte an.
Auch Eritrea ist selbstverständlich nicht das Reform-Land schlechthin, auch wenn der lange Guerilla-Kampf, progressive Reformkonzepte und die selbstauferlegte Armut der Regierungsvertreter romantische Vorstellungen wecken. Nein, die Sache ist, natürlich, komplizierter.
Das trifft aber auch auf die Schattenseiten zu. Wenn Frau Wichterich schreibt, daß Abenet Essayas, die Chefredakteurin von Eritrea Profile, nach einem Artikel über sexuelle Gewalt entlassen worden sei, so verschweigt sie leider, daß dies verbunden war mit einer Berufung in die 42köpfige Verfassungskommission, die in einem äußerst intensiven Diskussionsprozeß an der Erstellung der für das nächste Jahr geplanten Verfassung arbeitet. In dieser Verfassung, deren letzter Entwurf in diesen Tagen auf deutsch erscheint, sind für alle wesentlichen Gremien Quotenregelungen für Frauen enthalten. Übrigens sind auch 48 Prozent der Mitglieder der Verfassungskommission Frauen. Und Eritrea Profile bringt nach wie vor kritische Artikel über die Situation der eritreischen Frauen. Wenn die eritreische Schriftstellerin Abeba Tesfagiorgis den Frauen eine bright future vorhersagt, so ist sie leider zu euphorisch; es findet tatsächlich ein patriarchalischer roll- back statt. Aber schon die jüngere Generation lehnt sich – nicht nur in den Städten – gegen alte Regeln auf. Mit eritreischer Langsamkeit mag etwas daraus werden. Wolbert Schmidt,
Mitherausgeber der Quartals-
zeitschrift „Selam Eritrea“
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