Erinnern und erforschen

■ Hamburger Künstler und Wissenschaftler für ein „Haus des Widerstandes“

Daß Widerstand nicht immer nur als Reaktionsform auftritt, beweist ein sich aus verschiedenen Gruppen formierendes Projekt mit dem Arbeitstitel „Haus des Widerstandes - Zentrum für Widerstandsforschung“. Während sich gerade erste Widerstände gegen den Kampnagel-Bebauungsplan formieren, wird nun die Konzeption für ein Zentrum für Widerstandsforschung in der alten Fundushalle auf dem Kampnagel-Gelände in die Diskussion gebracht. Der Rest der Halle, die zur Häfte abgerissen werden soll, soll der Kampnagel-GmbH zur Verfügung gestellt werden - zum Beispiel für ein Haus des Widerstands?

Kampnagel ist ein archäologisch interessanter Ort der Industrie-Entwicklung. Willi Bredel literarisierte das Gelände, im Zweiten Weltkrieg wurden hier Zwangsarbeiter gepeinigt, während in dem Gürtel der Schumacher-Architekturen von der Jarrestadt bis zum Dulsberg auch die Kräfte des Widerstandes arbeiteten - von altgedienten SPD-Leuten, KPDler bis zur anarchisch-libertären Roten Hilfe. Im vergangenen Jahrzehnt nun hat sich Kampnagel zu einem internationalen Forum für verschiedenste Kunst- und Kommunikationsformen entwickelt.

Das von dem Hamburger Künstler Jörg Stange und GAL-Politiker Cornelius Buchmann mit Hilfe des Kunstwissenschaftlers Gunnar F. Gerlach, der Autorin Gabriele Leidloff und des Politiker Volker Stranz erarbeitete Konzept wurde bereits am 4. Mai interessiert im Kultur-Ausschuß des Bezirks Nord aufgenommen und wird morgen in der Bezirksversammlung vorgestellt.

Es geht nicht um ein Museum im herkömmlichen Sinne. Vielmehr sollen Mitarbeiter und Publikum im Mittelpunkt stehen. Wissenschaftliche und historische Dokumentationen und Forschungsprojekte sollen daneben Hintergründe und Auswirkungen von Zivilcourage und Engagement gegen Unterdrückung und Barbarei aufarbeiten.

Archive und Bibliotheken sollen dem Besucher genauso zur Verfügung stehen, und Ausstellungen wollen zu politisch, ökologisch und sozial motivierter Kunst zur Diskussion herausfordern. Das selbst-referentielle L–Art pour L–Art wird aktiv ersetzt durch einen über sich selbst hinausweisenden Kunst- und Wissenschaftsbegriff - so wie die Erstellung des Konzeptes aus Diskussionen und Arbeitskreisen von Bildenden Künstlern, Literaten und Politikern entwickelt wurde. Das Interesse geht aber weit über diesen Kreis hinaus: Unterstützung erhält die Initiative durch den Verband deutscher Schriftsteller, durch die Schriftsteller Gerda Zorn, Arie Goral und Peggy Parnass, die Fachgruppe bildende Kunst in den IG Medien, die Ärzte gegen den Atomtod, die Willi-Bredel-Stiftung und Brecht-Tochter Hanne Hiob.

Die Fundushalle - oder die verbleibende Hälfte - wirft natürlich Finanzierungsprobleme auf. Nicht nur die Renovierung, auch die laufenden Kosten werden Unterstützung durch Politik und Wirtschaft erfordern. Gerade das weltoffene Hamburg könnte hier ein Zeichen setzen: nicht nur gegen die neue Barbarei, sondern für eine geschichtliche Erinnerung, für ausländische Freunde, für einen innovativen Kunstbegriff und für eine lebendige Wissenschaft. So kann aus einem erzwungenem, bloß reaktiven Dagegen ein konstruktives, gestaltbares Dafür werden.

Moritz von Kärnten