piwik no script img

Erich Rathfelder über das Referendum in BosnienGroßserbische Träume

Es geht um mehr als einen „Na­tio­nalfeiertag“. Die Volksabstimmung in der bosnisch-serbischen Teilrepublik Srpska vom Wochenende könnte die Föderation Bosnien und Herzegowina 20 Jahre nach dem Dayton-Friedensabkommen erneut in den Abgrund reißen.

99,78 Prozent derer, die zur Wahl gegangen sind, wollten allen zeigen: Wir Serben stehen zusammen. Auch die serbischen Oppositionsparteien in Bosnien wollten sich unbeugsam zeigen – obwohl das Verfassungsgericht das Referendum verboten hatte.

Milorad Dodik, dem angeschlagenen Präsidenten der bosnisch-serbischen Teilrepublik, ist zuzutrauen, dass er nach diesem Erfolg nun auch bereit ist, weiter zu eskalieren: mit einer Abstimmung über einen Austritt aus der Föderation. Der Rückendeckung Moskaus kann Dodik sich dabei sicher sein.

Dodik und seinen Unterstützern geht es um nichts weniger als den nationalistischen Traum, ein Großserbien zu schaffen. Kein Wunder, dass die muslimische Bevölkerungsmehrheit der Bosniaken darauf empört reagiert. Ihre politischen Vertreter sehen in der widerrechtlichen Abstimmung über den „Nationalfeiertag“ den Versuch, die aus dem Abkommen von Dayton hervorgegangene Verfassung auszuhebeln. Ohne sie gäbe es auch keine Republika Srpska mehr, die Karten würden neu gemischt.

Die Serben könnten Bosnien und Herzegowina zwar verlassen – aber ohne das Land, sagen die Bosniaken unmissverständlich, was einer Kriegsdrohung gleichkommt. Natürlich weiß man auch in Brüssel, Berlin und Washington, welche gefährliche Zuspitzung sich in Bosnien ergeben könnte.

Noch ist es nicht so weit. Trotz ihres trotzigen Votums wollen die meisten bosnischen Serben allen Umfragen zufolge immer noch ins Europa der EU integriert werden. Doch um das zu erreichen, müssten sie Kompromisse schließen können. Danach sieht es zurzeit nicht aus.

Ausland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen