Erhebung zu Studiengebühren: Darf nicht sein, kann nicht sein
Eine neue Studie besagt, dass Uni-Gebühren keine abschreckende Wirkung haben. Davon will nur niemand etwas wissen, in der Politik geht die Mehrheit über die Wahrheit.
Normalerweise sind Studiengebühren ein Topthema. Jahrelang ließen sich das mediale und studentische Interesse für Unis als solche an der Campusmaut festmachen. Immer wenn Gebühren eingeführt werden sollten, explodierte die Aufmerksamkeit - auch in dieser Zeitung.
Als die Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung Marcel Helbig und Tina Baier nun ermittelten, dass Gebühren keine abschreckende Wirkung auf die Studierneigung haben, war alles anders. Die Studenten schwiegen still, die wissenschaftspolitischen Sprecher ließen sich lange bitten, sogar die Nachrichtenagenturen sabotierten ihr eigenes Kerngeschäft - das Nachrichtenmachen: Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein.
Dabei ist das, was die beiden jungen Forscher herausgefunden haben, eine echte Bombe. Sie widerlegt beinahe alles, was in den letzten Jahren an Märchen über Uni-Gebühren verbreitet worden ist. Gebühren wirken sich demnach - in einer Längsschnittbeobachtung gemessen - nicht negativ auf die Studierneigung aus. Die gilt als der sicherste Indikator fürs Studieren. Die Forscher des WZB haben breit gestreute Daten mit Panels zwischen 5.000 und fast 20.000 Probanden ausgewertet.
Und noch etwas kann ausgeschlossen werden: dass die WZB-Leute irgendein finsteres Erkenntnisinteresse hätten. Marcel Helbig ist selbst Gebührengegner - aber auch ein Topforscher, der in der Arbeitsgruppe bei der Präsidentin Jutta Allmendinger arbeitet. Jener Frau, die sich wie keine Zweite für die Erforschung von Bildungsarmut in Deutschland verdient gemacht hat.
Kein Eigeninteresse
Die indolenten und inkompetenten Reaktionen auf die Studie allerdings erhöhen das Vertrauen auch in jene Politikbereiche kein bisschen, die gern das moralische Gerechtigkeits- und Wahrheitsschild vor sich hertragen. "Studien gibt es viele", ließ sich ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums eines wichtigen Bundeslandes vernehmen, ohne das Papier überhaupt gelesen zu haben.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Kai Gehring ließ sich nach 24 Stunden zu der Äußerung herab: "Die WZB-Untersuchung ist methodisch zweifelhaft […], während andere Studien negative Auswirkungen wissenschaftlich belegen." Die Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaft der Grünen twitterten in bester Margot-Honecker-Sprache, die Studie sei "komplex". Wenn es in der DDR hieß, irgendwo gebe es eine komplizierte Lage, dann wusste jeder Bescheid: Was nicht sein darf, das kann auch nicht sein.
Die Gebührenfrage ist ja keine x-beliebige. In NRW, wo deren Abschaffung mit der expliziten Begründung eines Abschreckungseffekts beschlossen wurde, verlieren die Hochschulen knapp 250 Millionen Euro. In Hessen ist der Ausstieg 92 Millionen Euro teuer. Kann man Gebühren einfach wieder abschaffen, wenn der Grund dafür entfällt? Ja, man kann. Da lassen die Minister-Sprecher keine Millisekunde Zweifel. "Die gesellschaftlichen und politischen Mehrheiten haben sich längst gegen das Bezahlstudium entschieden", sagt MdB Gehring. Basta.
"Es wird sich nichts ändern"
Auch der Sprecher der baden-württembergischen grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer machte keine Hoffnung darauf, dass die Studie inhaltlich irgendetwas bewirken könnte. "Die Abschaffung ist als Gesetz in der Anhörung", sagte Jochen Laun, es gebe keine Hinweise, dass sich da was ändere.
Wozu, fragt man sich, ist eigentlich eine Anhörung gut? Möglicherweise, um neue Argumente zur Kenntnis zu nehmen? Nein, es muss Geld beschafft werden. In Stuttgart müssen 163 Millionen aufgetrieben werden - um Gebühren abzuschaffen, die gar nicht ungerecht sind.
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