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Denkmal

Ergebnisse unseres Wettbewerbs „Leerstellen und Geschichtslücken”

Ein subtiler und zugleich eindrücklicher Entwurf gewinnt den Ideen-Wettbewerb der taz für das Bremer „Arisierungs“-Denkmal.

Der Gewinner-Entwurf. Bild: A. Oettingshausen

Ein Schacht bohrt sich tief ins Bremer Weserufer, dort, wo Kühne+Nagel einen pompösen Neubau errichten möchte. Da der Logistik-Konzern die maßgebliche Rolle verschleiert, die er sich beim Abtransport jüdischen Eigentums in der NS-Zeit sicherte, rief die taz zu einem Ideen-Wettbewerb für ein „Arisierungs“-Mahnmal auf: Der Schacht ist Teil des Entwurfs von Angie Oettingshausen, der von der Jury unter 59 Einreichungen ausgewählt wurde (zum Jury-Ergebnisprotokoll von Jean Baeck).

Ein tiefes Loch

„Leerstellen und Geschichtslücken“ nennt die Architektin ihr Projekt, das auf der gestuften Geländesituation an der Weser basiert. Eine begehbare Glasplatte vor dem Firmensitz lässt in ein tiefes Loch blicken – und ahnen, das weiter unten noch mehr zu sehen sein muss. Denn von der Seite, freilich sechs Meter weiter unten, trifft ein horizontaler Blickschacht, eine Art Schaufenster, auf das selbe Loch.

Von dort aus haben Spaziergänger auf der „Schlachte“, Bremens beliebter Weserpromenade, die Möglichkeit, „Leerstellen“ zu erkennen. In Oettingshausens Entwurf sind das scharf konturierte Hell/Dunkel-Schattierungen an der hinteren Wand, die den ehemaligen Standort von Möbeln und Bildern markieren – so, wie man das von ausgeräumten Wohnungen kennt. Trotz der Subtilität der Darstellung, meint die Jury, funktioniert das als klarer Verweis auf das konkrete „Arisierungs“-Geschäft. Kühne+Nagel transportierte über 70.000 Wohnungs-Einrichtungen jüdischer Deportierter ab.

Auch der zweitplatzierte Entwurf, für den sich die Jury nach intensiver Diskussion entschied, ist das Gegenteil eines ausgestreckten Zeigefingers. Thomas Blank, der an der Karlsruher Kunstakademie studiert, bildet in seiner Ideenskizze einen Schrank nach, der ihm seit der Kindheit vertraut ist: In ihm wird „das gute Geschirr“ für Familienfeste aufbewahrt. Als Jugendlicher erfuhr Blank, dass der Schrank diese Funktion und Bedeutung womöglich auch für eine jüdische Familie gehabt hat – den Vorbesitzern des Möbelstücks.

„Beleuchtungswechsel“ nennt Karl Marx Situationen und Sachverhalte, durch die vertraute Dinge plötzlich „andere Schatten werfen“, wie Blank formuliert. Günther Eichs Gedicht „Abschied vom Mond“, auf der Rückseite des leicht schräg stehenden Schrank-Abbilds zu lesen, soll die Perspektiv-Verschiebung zum Ausdruck bringen.

Der taz-Wettbewerb weist weit über das Thema Kühne+Nagel hinaus und hat viele Menschen zu einer produktiven Auseinandersetzung mit den Themen „Arisierung“ und „Arisierungs“-Profit angeregt.

Profis und Privatleute

Unter den EinsenderInnen sind Profis und Privatleute, bekannte Künstlerinnen ebenso wie Jugendliche: Am Hamburger Carl-von-Ossietzky-Gymnasium haben gleich sechs Schüler-Gruppen Ideen entwickelt, von denen es der Entwurf „Blickfang“ sogar auf die Nominierungsliste der Jury schaffte: Ein zwei Meter hoher Marmor-Rahmen, eingefasst von sich gegenüberstehenden Pulten, bietet idyllische Aussichten auf die Weser. Der Boden des Rahmens zeigt jedoch Deportationen – „das darunter liegende Schreckliche“, wie die Schüler schreiben. Doch auch der „Geier“ aus brüniertem Stahl, den eine andere GymnasiastInnen-Gruppe entwarfe, beeindruckte die JurorInnen durch seine brutalen Klarheit.

Alle eingesandten Entwürfe, für die das Einverständnis der UrheberInnen vorliegt, finden Sie hier links in unserer Online-Galerie. Für die tatsächliche Realisierung eines Mahnmals wird sich die taz weiterhin mit Nachdruck engagieren.

HENNING BLEYL, Redakteur taz.nord