: Erfrischender Newcomer
■ Norbert Finzsch
„Das glaubt Ihnen keiner, daß Sie mich per Zufall ausgewählt haben“, sagt Norbert Finzsch. Der 42jährige Professor für Amerikanische Geschichte wurde just von einem Hamburger Stadtmagazin porträtiert. Das Bild: ein zackiger, gewichthebender Newcomer, der den schwarzen Gürtel trägt und seinen Historiker-Kollegen zeigt, was 'ne Harke ist, wenn es gilt, gute Lehre zu machen.
„Da fühl ich mich nicht richtig wiedergegeben“, sagt Finzsch, „Ich bin nicht nur so'n Kiez-Typ“. Auch wüßte er gar nicht, wie seine Kollegen lehren. Bei anderen Professoren in die Vorlesung zu gehen, gilt an der Uni als unschicklich. Finzsch selbst lehrt seit zwei Semestern in Hamburg und war vorher viereinhalb Jahre als Gastprofessor in den USA tätig, wo Evaluation durch Studierende gang und gäbe ist. Dort sind die überwiegend privaten Universitäten gezwungen, Reklame zu machen, kassieren allerdings auch Studiengebühren bis zu 18.000 Dollar im Jahr.
Von den Amis hat sich Finzsch denn auch so einige Tricks abgeguckt. „Vorlesungen finde ich problematisch, weil da ein Zusammenhang präsentiert wird, der möglicherweise komplizierter ist“. Wenn man sie jedoch als Theaterinszenierung verstehe, sei Vorlesung die Lehrveranstaltung, die am meisten Spaß macht. Umbedingtes Muß: am Anfang, in der Mitte und am Ende ein Witz.
„Ich bin kein Frischling mehr“, sagt Finzsch, seine Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Köln hinzugerechnet sei er zwölf Jahre in der Lehre tätig. Dennoch wirken seine Grundsätze erfrischend: Die Tür zu seinem Büro im Philturm steht immer offen. „Ich will für die Studenten immer ansprechbar sein. Ich verdonnere sie, in meine Sprechstunden zu kommen“. Ein Seminar, in dem der Professor in der ersten Stunde Referate verteilt und anschließend nur dasitzt und nichts mehr sagt, sei für ihn undenkbar, beteuert er. Referate müßten seine Studenten schon halten, aber höchstens 30 Minuten lang, danach wird diskutiert. „Wenn die Leute nichts sagen, spreche ich sie persönlich an. Ich will die Leute zum Reden bringen, da bin ich autoritär.“ Der Erfolg, heftige Debatten zum Ende des Semesters, gebe ihm recht.
Einer, der sich reinkniet, der die Leute rannimmt. Ein guter Vorsatz, der allerdings an miesen Bedingungen scheitern kann. Was ihn aufgeregt habe im letzten Semester war, daß er selbst so viel sprechen mußte. „Vielleicht war das Seminar zu groß“.
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