Erfolgreiches Lobbyistentum

betr.: „Feigenblatt für die US-Politik“, Kommentar vom Ralf Sotscheck, taz vom 7. 4. 03

Nicht Tony Blair verfolgt naive Motive mit seiner Kriegsbeteiligung, sondern wir sind naiv, wenn wir ihm diese Motive abkaufen. Wir sind naiv, wenn wir dem Gerede von Demokratie und Menschenrechten und Massenvernichtungswaffen zu viel Aufmerksamkeit schenken. Tony Blair wäre dann mit all seinen abenteuerlichen Geheimdienstlügen und seinem freundlichen Grinsen erfolgreich damit, uns alle für dumm zu verkaufen.

Letztlich geht es bei diesem Krieg um die Erbeutung extrem wertvoller Ölvorkommen, die momentan noch im Besitz der staatlichen irakischen Ölgesellschaft sind und über Lizenzverträge mit französischen und russischen Unternehmen genutzt werden, nicht aber mit den britischen und amerikanischen Gesellschaften BP, Shell, Texaco, Exxon usw. Wenn Tony Blair den britischen Steuerzahlern und Soldaten 20 bis 30 % der Kosten des angloamerikanischen Krieges aufbürdet, gleichzeitig aber für die britischen Ölkonzerne Shell und BP Konzessionen und Besitzrechte durch diesen räuberischen Krieg sichert, so ist dies nicht naiv, sondern äußerst erfolgreiches Lobbyistentum, das zudem noch besser verpackt ist als die amerikanische Variante. […] Vor der Verstaatlichung der irakischen Ölindustrie in den 60er-Jahren flossen insgesamt 95 % der Erlöse auf die Konten US-amerikanischer (25 %), britischer (45 %) und französischer (25 %) Gesellschaften. Der irakische Staat erhielt 5 %! Nun ist wiederum die Privatisierung der Ölindustrie geplant und ein Ex-Shell-Vorstand soll irakischer Ölminister werden. JAKOB WEINGARTZ, Düsseldorf

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