Erfolgreicher Arbeitskampf in der Südpfalz: Vernetzung auf allen Ebenen
Die Beschäftigen eines Navi-Herstellers in der Südpfalz verteidigen ihre Arbeitsplätze gegen eine Verlagerung nach Ungarn. Hilfe bekommen sie von Porsche.
SCHAIDT/NEUSTADT taz | Es ist zunächst eine Erfolgsmeldung für die Belegschaft des Autozulieferers Harman-Becker in Schaidt an der Grenze zu Frankreich. Eigentlich wollte die Geschäftsführung die Produktion von Audiokomponenten und Navigationsgeräten aus dem südpfälzischen Standort nach Ungarn verlagern oder das Werk ganz verkaufen.
Monatelang kämpften die zu 90 Prozent in der IG Metall organisierten rund 700 Beschäftigten dagegen. Nun sieht es so aus, als hätten sie den Erhalt ihrer Arbeitsplätze geschafft. Am Freitag sagte Uwe Schütz, der zuständige Gewerkschaftsbevollmächtigte in Neustadt: "Die Tendenz deutet darauf hin, dass eine gute Weiterführungsregelung erreicht werden kann."
Die eigentliche Geschichte geht weit über diese dürre Nachricht hinaus. Der Betriebsratsvorsitzende der Porsche AG, Uwe Hück, spricht von einem "Paradigmenwechsel". Und auch Schütz sieht eine Trendwende weg vom Druck auf die Zulieferer, immer noch billigere Produkte anzubieten "und die Produktion wegen der Lohnkosten etwa in die hinterste Ukraine zu verlagern". Stattdessen gebe es inzwischen wieder mehr "allgemeine Wertschätzung von Qualitätsarbeit hier".
Was ist passiert? Dass es auch ein Verdienst von Schütz ist, wenn die Produktion von Harman-Becker, das seit 1995 eine hundertprozentige Tochter des US-Konzerns Harman International ist, nun wohl doch weiter in Schaidt angesiedelt bleiben soll, verwundert nicht weiter. Überraschender ist, dass auch Hück entscheidenden Anteil daran hat. Denn der Betriebsratschef von Porsche unterstützt den Kampf der Harman-Becker-Beschäftigte schon länger vorbehaltlos. Dabei geht es ihm weniger um reine Solidarität. Wichtig sei die "richtige Vernetzung auf allen Ebenen", sagte er der taz.
Und das meint er wörtlich. Den Betriebsrat bei Harman-Becker hat er nicht nur mit seinem bei Porsche vernetzt, sondern auch mit dem gesamten Vorstand des Autoherstellers. "Im Chor" hätten sich die Mitglieder des Führungsgremiums gegen das ungarische Abenteuer ihres Zulieferers ausgesprochen und für den Erhalt des Werkes in Schaidt. Und das nicht, weil "der Hück" das so gewollt habe, sondern "weil wir alle hier bei Porsche mit der Qualität der Produkte aus Schaidt und der Flexibilität bei der Lieferung hochzufrieden sind und auch die Preise stimmen".
Es blieb nicht beim Lippenbekenntnis: Umgehend wies der Porsche-Vorstand die Geschäftsführung von Harman-Becker unmissverständlich auf bestehende Verträge "mit Standortbindung Schaidt" hin.
Für den Gewerkschaftsfunktionär Schütz ist dieser Druck von Porsche - und in dessen Gefolge auch von Volkswagen - "eine von zwei Säulen des Widerstandes", mit dem jetzt wohl doch noch ein positives Ende der Auseinandersetzungen um den Erhalt der Arbeitsplätze in der strukturschwachen Grenzregion erzwungen werden konnte. Während der dritten Tarif-Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche jedenfalls habe man eine Perspektive entwickelt, nach der das Werk in Schaidt erhalten werden könnte und alle Beschäftigten zumindest eine zeitweise Arbeitsplatzgarantie bekommen würden. Am kommenden Freitag wird weiterverhandelt.
Die zweite Säule des Widerstandes seien die Beschäftigten selbst gewesen, so Schütz. Sie bewachten "ihr Werk" selbst über Weihnachten und Neujahr hinweg rund um die Uhr. "Uffbasse" (aufpassen) hieß die Parole der gleichnamigen Initiative Werksangehöriger.
Alle hätten Angst gehabt, "dass die über die Feiertage, wenn niemand da ist, mit der Werksverlagerung beginnen", so die Betriebsratsvorsitzende Petra Meyer-Spreckic. In einem gemieteten Bauwagen schoben die Beschäftigten Wache.
Selbst jetzt müsse man "wachsam bleiben", auch wenn die Erleichterung groß sei, so Meyer-Spreckic weiter. Sie habe sowieso nie verstanden, warum Harman-Becker das doch brummende Werk in Schaidt, das "nie rote Zahlen schrieb", unbedingt habe schließen wollen. Das US-Unternehmen Harman-Becker mit Stammsitz in Karlsbad (Baden) schweigt sich bislang aus. "Vielleicht wegen der Subventionen der EU für die Schaffung von Arbeitsplätzen in Osteuropa", mutmaßt Meyer-Spreckic.
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