Erfolg nach Weg durch die Instanzen: Gelähmte erkämpft sich Spezialrollstuhl
Sie musste bis vors Bundesverfassungsgericht: Eine gelähmte Frau hat erfolgreich dagegen geklagt, dass sie unbeweglich in der Wohnung sitzen muss, weil die Kasse sich stur stellt.
KARLSRUHE taz Das Bundesverfassungsgericht hat einer gelähmten Frau ermöglicht, einen mundgesteuerten Elektrorollstuhl zu bekommen. Ein entsprechender Eilbeschluss der Karlsruher Richter wurde am Mittwoch veröffentlicht.
Die 48 Jahre alte Frau aus dem Ruhrgebiet leidet an der Nervenkrankheit ALS und ist nahezu vollständig gelähmt. Sie lebt zusammen mit ihrem Ehemann in der eigenen Wohnung. Wenn dieser nicht da ist, muss sie mit ihrem Schieberollstuhl an der Stelle verharren, an der sie "abgestellt" wurde.
Die Frau beantragte deshalb bei ihrer Krankenkasse einen Elektrorollstuhl mit Mundsteuerung, was die Kasse jedoch verweigerte. Auch die Sozialgerichte lehnten ihre Eilanträge zunächst ab. Erst müsse geklärt werden, ob die Frau mit einem mundgesteuerten Rollstuhl in der Wohnung überhaupt umgehen könne, denn bei einem Unfall sei sie hilflos. Das Landessozialgericht bezweifelte sogar, ob die Fortbewegung in der eigenen Wohnung überhaupt ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens sei.
Hiergegen legte die Frau Verfassungsbeschwerde ein. Sie sei schnellstmöglich auf den Spezialrollstuhl angewiesen. Vor der Entscheidung in der Hauptsache werde sie vermutlich sterben. Die Verweigerung des Rollstuhls degradiere sie zu einem Objekt, das sich nicht selbstständig fortzubewegen brauche.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Eilverfahren der Frau jetzt Recht gegeben. Der Zwang zum Verharren in einer Situation der Hilflosigkeit beeinträchtige die Persönlichkeitsrechte der Frau, argumentieren die Karlsruher Richter. Es gehöre zu den Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein, einen Rest an Mobilität zu erhalten. Jetzt muss das Sozialgericht Duisburg neu über den Eilantrag der Frau entscheiden. Wie von ihr angeboten, kann sie dabei an einem Leihgerät beweisen, dass sie einen Elektrorollstuhl sicher steuern kann (Az.: 1 BvR 120/09).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt