Eren Keskin in türkischer Haft: Die Unerschrockene
Es gehört eine Menge Mut dazu, offen in der Türkei für Menschenrechte einzutreten. Die Anwältin Eren Keskin steht seit Jahren in der ersten Reihe dieser Mutigen.
Um sich in der Türkei für die Menschenrechte einzusetzen, braucht man viel Mut. Zum einen, weil gegen diese Aktivisten immer wieder der berüchtigte Paragraf 301 des Strafgesetzbuches in Anschlag gebracht wird, der die "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe stellt. Zum anderen, weil radikale Nationalisten im Fahrwasser der Gerichtsverfahren Schmäh- und Drohbriefe absondern und diese Todesdrohungen durchaus ernst zu nehmen sind. Die Anwältin Eren Keskin, 49, steht seit Jahren in der ersten Reihe der Mutigen. Sie ist bekannt als Mitglied des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, der schon in den bleiernen 90er-Jahren die Repression gegenüber den Kurden anprangerte. 1997 gründete sie ein Rechtshilfebüro für Frauen, die in Gewahrsam sexuell belästigt oder vergewaltigt wurden. Dieses Büro übernahm unentgeltlich insbesondere die Klagen von Kurdinnen gegen Übergriffe von türkischem Militär und Polizei. Durch ihre Arbeit als Anwältin wie auch in zahlreichen Interviews machte sie darauf aufmerksam, dass insbesondere im Kurdenkonflikt Frauen gezielt sexuell missbraucht werden.
Keskins Freimütigkeit blieb nicht ohne Folgen. 1994 wurde sie zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil sie in einem Brief an das belgische Parlament das Wort "Kurdistan" benutzt hatte. Im Jahre 2006 wurde sie nach Artikel 301 wegen Beleidigung des Türkentums und Herabwürdigung türkischer Institutionen verurteilt, weil sie 2002 während einer Podiumsdiskussion in Köln der türkischen Armee vorgeworfen hatte, Kurdinnen sexuell missbraucht zu haben. Die Strafe wurde in eine Geldstrafe umgewandelt.
Wegen eines Interviews, das sie im Juni 2006 dem Berliner Tagesspiegel gegeben hat, ist sie am Donnerstag nach kurzer Verhandlung von einem Gericht in Istanbul zu neuerlichen sechs Monaten Haft verurteilt worden. In dem inkriminierten Interview hatte sie den Einfluss der Armee auf die türkische Politik kritisiert und erklärt, keine türkische Regierung könne ihr Programm gegen die Generäle durchsetzen. Das Urteil erging erneut aufgrund des Paragrafen 301, den die türkische Regierung trotz langer Ankündigungen bislang weder abgeschafft noch modifiziert hat. Gleichzeitig wurde wegen derselben Äußerung gegen sie ein Disziplinarverfahren bei der Anwaltskammer angestrengt, was zu einem Berufsverbot führen könnte
Keskin, die für ihr Engagement 2001 den Amnesty-international-Menschenrechtspreis, 2004 den Aachener Friedenspreis und 2005 den "Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit" der Stadt Esslingen erhielt, hat bereits Berufung angekündigt.
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