piwik no script img

Erdogan verliert gegen MedienmogulGroße Männer im Kleinkrieg

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan und "Hürriyet"-Verleger Aydin Dogan liefern sich eine bizarre Schlammschlacht. Ausgangspunkt ist ein Prozess in Deutschland.

Offene Feindschaft: Medienzar Dogan und Ministerpräsident Erdogan. Bild: AP

Eine in der Geschichte des Landes beispiellose Schlammschlacht liefern sich seit knapp zwei Wochen der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan und der wichtigste Medienzar des Landes, Aydin Dogan. Während Erdogan dem Besitzer der Dogan-Holding mit ihrem Flaggschiff Hürriyet vorwirft, der Tycon wolle ihn mit der Berichterstattung in seinen Medien "erpressen", um andere wirtschaftliche Interessen seines Konzerns durchzusetzen, werfen die Dogan-Medien der Regierung vor, sie wolle mit ihrem Frontalangriff auf die Dogan-Holding den letzten großen Pressekonzern des Landes, der nicht dem unmittelbaren Einfluss der Regierung unterliege, einschüchtern oder sogar zum Verstummen bringen.

Diese für die weitere demokratische Entwicklung der Türkei enorm wichtige Auseinandersetzung hat ihren Ausgangspunkt in einem Prozess in Frankfurt, der gestern zu Ende ging. Der in Deutschland kaum beachtete Prozess hat in der Türkei für große Aufregung gesorgt, weil sich darin ein gigantischer Korruptionsskandal offenbarte, in den mehrere regierungsnahe Organisationen verwickelt sind - und womöglich Ministerpräsident Erdogan persönlich. Zum Thema gemacht hatte die Geschichte Dogans Leitmedium Hürriyet, nachdem die deutsche Redaktion auf den Prozess aufmerksam geworden war.

Der Staatsanwaltschaft ist es gelungen, den Leuchtturm-Verantwortlichen nachzuweisen, dass sie von den insgesamt gesammelten 42 Millionen Euro mindestens 18 Millionen Euro zweckentfremdet und in dunkle Kanäle im Umfeld der türkischen Regierungspartei AKP geleitet haben. Leuchtturm e.V., die Tochtergesellschaft einer gleichnamigen türkisch-muslimischen Wohltätigkeitsorganisation und personell eng verknüpft mit der AKP, sammelte unter Türken in Deutschland Geld für Katastrophenhilfe in Indonesien und Pakistan oder soziale Projekte in der Türkei.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft begann vor zwei Jahren mit ihren Ermittlungen, nachdem Commerzbank und Postbank mitgeteilt hatten, dass von den Leuchtturm-Konten regelmäßig hohe Summen in bar abgehoben und offenbar per Kofferkurier in die Türkei gebracht wurden. Drei Manager der Hilfsorganisation wurden verhaftet, zwei von ihnen gaben zu, dass das abgezweigte Geld unter anderem für die Finanzierung des AKP-nahen Fernsehkanals Kanal 7 und der AKP-nahen Zeitung Yeni Safak verwendet wurde. Einer sagte aus, er habe gehört, dass auch Erdogan persönlich Geld zugesteckt bekommen hätte.

Lizenzen verweigert

Nachdem Hürriyet und andere Dogan-Medien über diese Aussagen in Frankfurt groß berichtet hatten, brach der Sturm in der Türkei los. Erdogan ging auf Aydin Dogan persönlich los und warf diesem vor, er wolle sich mit seiner Berichterstattung nur dafür rächen, dass ihm bei verschiedenen Projekten Genehmigungen verweigert worden waren: etwa bei der Neubebauung des Hilton-Geländes in Istanbul, der Lizenz für einen weiteren Fernsehkanal und dem Zuschlag für einen Raffineriebau am Mittelmeer. Dogan reagierte sofort und ließ in allen seinen Blättern seitenlange Gegendarstellungen drucken. Hürriyet-Chefredakteur Ertugrul Özkök beklagte, dass in keinem anderen demokratischen Land der Regierungschef seine gesamte Macht nutze, um gegen einen einzelnen Medienkonzern vorzugehen - woraufhin sich die gesamte veröffentlichte Meinung der Türkei entweder in die Pro- oder Contra-Dogan-Fraktion einsortierte.

Hürriyet brachte fast jeden Tag eine neue Titelgeschichte über den Leuchtturm-Skandal, zuletzt noch einen echten Coup, als die Redakteure erfuhren, dass Erdogan persönlich sich beim deutschen Botschafter Eckart Cuntz für die in U-Haft sitzenden Leuchtturm-Manager eingesetzt hatte.

Der Schlagabtausch endete gestern mit einem Punktsieg für Aydin Dogan. Die drei Leuchtturm-Manager wurden wegen Betrugs und Unterschlagung verurteilt, der Hauptangeklagte Mehmet Gürhan immerhin zu 5 Jahren und 10 Monaten Gefängnis. Nun lässt es sich also nicht mehr bestreiten, dass Gelder für die AKP-Parteiarbeit veruntreut wurden. Die Dogan-Holding - gemeinhin auch nicht gerade ein Hort sauberen Journalismus - hat sich nicht einschüchtern lassen, und Tayyip Erdogan, der einmal als großer Kämpfer gegen die Korruption gewählt wurde, hat erstmals unschöne Flecken auf seiner weißen Weste.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • O
    Orietexpress

    Die Gelder wurden vielleicht für den TV Kanal Kanal 7 oder die Zeitung Yeni Safak verwendet, aber es besteht immernoch keine Verbindung zur AKP. Diese drei Organisationen mögen zwar islamisch konservativ sein, aber jede ist unabhängig voneinander.

     

    Die Schlammschlacht zwischen Erdogan und Aydin Dogan ist einfach nur deshalb entstanden, weil sich beide Parteien gegeneinander in den letzten Jahren viel Wut angesammelt haben.

     

    Aydin Dogan ist seit Jahren ein Medienzarr in der Türkei. Er beherrscht die Medien in der Türkei wie kein anderer. Er besitzt dazu noch ein großes Holding Unternehmen das in sehr vielen Geschäftsbereichen tätig ist.

     

    Aydin Dogan hat es entgültig verstanden das er mit Korruption und Drohungen nicht mehr schafft einen türkischen Ministerpräsidenten an seine Seite zu bringen und seine zwiespältigen Geschäfte ins Laufen zu bringen.

     

    Deshalb diese Schlammschlacht.