Erdogan sieht Komplott: „Das glaubt doch keiner mehr!“

Die harten Worte des türkischen Premiers bei seiner Rückkehr aus Nordafrika lösen bei den Demonstranten in Istanbul eher Gleichgültigkeit aus.

Ob er's noch glaubt? Bild: dpa

ISTANBUL taz | „Erdogan ist so ermüdend. Er sagt immer dasselbe. Schon bevor er den Mund aufmacht, weiss man was herauskommt“. Die junge Frau am Zelt von Greenpeace auf dem besetzten Taksim-Platz im Herzen Istanbuls ist vom Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan sichtlich unbeeindruckt. Dabei hatte Erdogan wenige Stunden zuvor am Istanbuler Flughafen direkt nach seiner Rückkehr von einer viertägigen Nordafrikareise den Besetzern des Taksim-Platzes und des Gezi-Parks unverhohlen gedroht.

Vor zehntausend tobenden Anhängern, die zuvor von seiner Partei in Bussen zum Flughafen gebracht worden waren und dort bis 2:00 Uhr morgens auf ihn gewartet hatten, sagte er: „Die Proteste müssen sofort aufhören. Sie haben ihre demokratische Glaubwürdigkeit verloren und sind zum Vandalismus geworden. Unter die Protestierer haben sich Terroristen und Anarchisten gemischt“.

Erdogans Anhänger skandierten unterdessen: „Erdogan, wir sind bereit für dich zu sterben“ und, in Bezug auf die Besetzer des Taksim-Platzes: „Lasst uns sie alle zerquetschen“.

Nachdem Erdogan seine Anhänger zunächst aufgeputscht hatte, mahnte er sie dann allerdings, Ruhe zu bewahren: „Ihr habt euch in den letzten Tagen ruhig und reif verhalten“, lobte er die Menge. „Wir werden jetzt alle in Würde nach Hause gehen“.

Tausende Unterstützer erwarteten Ministerpräsident Erdogan am Istanbuler Atatürk-Flughafen Bild: Reuters

Erdogan will nicht nachgeben

Zwar blieb es in der weiteren Nacht daraufhin ruhig auf dem Taksim-Platz, doch wartet die AKP-Anhängerschaft nun gespannt, was ihr Ministerpräsident unternehmen wird. Die Verhandlungsversuche, die Staatspräsident Abdullah Gül und der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc in seiner Abwesenheit unternommen hatten, hat er noch von Tunis aus zurückgewiesen.

Er werde, ließ er sowohl seine Partei wie auch die Demonstranten wissen, das umstrittene Einkaufszentrum und seine anderen Großprojekte, wie den neuen Flughafen und die dritte Brücke über den Bosporus auf jeden Fall realisieren.

Einige Ideologen seiner Partei hatten in den letzten Tagen gestreut, die gesamten Proteste seien ein vom Ausland gesteuertes Komplott, um den weiteren wirtschaftlichen und politischen Aufstieg der Türkei zu stoppen. Auch Erdogan sprach während seiner Rede am Flughafen vom „Zinskomplott“, das ausländische Kräfte inszeniert hätten.

Angeblich sei schon vor Wochen vorbereitet worden, große Summen von der türkischen Börse auf einen Schlag abzuziehen. Die türkische Börse ist durch die Unruhen, die durch das harte Eingreifen der Polizei in der letzten Woche entstanden waren, um gut zehn Prozent abgesackt, und die türkische Lira hat erheblich gegen den Dollar und den Euro verloren.

Erdogans Gegner lassen sich durch die Komplott-Theorie jedoch nicht beeindrucken. „Angebliche ausländische Drahtzieher“, meint Deniz, der die Nacht mit Freunden im Zelt im Gezi-Park verbracht hat, „das glaubt ihnen doch niemand mehr. Das ist doch wirklich eine alte Kamelle“.

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