Erdgas statt Atommüll

GORLEBEN Die Förderung des unterirdischen Gases könnte die Endlagersuche im Wendland endgültig stoppen. Zu groß wäre die Gefahr, dass Erschütterungen den ehemaligen Salzstock erschüttern

GÖTTINGEN taz | Im Wendland soll künftig nach Erdgas und Erdöl gesucht werden. Das könnte den Atomkraftgegnern in der Region unverhofft ihrem großen Ziel näher bringen – dem Aus für ein Endlager in Gorleben. Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie hat jüngst einem Mainzer Unternehmen die Erlaubnis erteilt, auf einer Fläche von 160 Quadratkilometern nach Öl und Gas zu suchen. Eine der Grenzen des Areals ist nur 350 Meter vom Gorlebener Salzstock entfernt. Das oberirdische Erkundungsbergwerk liegt in rund vier Kilometern Entfernung.

„Wenn hinter dieser Entscheidung des Landesbergbauamtes der Plan steht, dass Gorleben als Atommüllendlager aufgegeben werden soll, dann ist das ziemlich neu“, sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Für ihn ist „klar, dass sich Gasförderung und ein Atommüllendlager nicht vertragen“. Denn bei der Gasförderung werde es Erderschütterungen geben, die im Salzstock zu Rissen führten.

Das sehen auch Kommunalpolitiker so. Eine Förderung von Erdgas oder Erdöl schließe den gleichzeitigen Betrieb von Atommülllagern aus, sagte Erster Kreisrat Claudius Teske. Er geht davon aus, dass dann nicht nur die Endlagerpläne gestoppt, sondern auch die beiden bestehenden Zwischenlager abgerissen werden müssten.

Grundsätzliche Einwände gegen eine Suche nach Gas haben BI und Kreisverwaltung nicht. Es dürfe aber auf keinen Fall die umstrittene Fördermethode Fracking angewandt werden, fordert Teske. Sonst bestehe die Gefahr, dass das Grundwasser nachhaltig verschmutzt werde.

Eine Entscheidung über Fracking stehe allerdings noch gar nicht an, erklärt Björn Vollmar vom Landesbergbauamt. Die Aufsuchungserlaubnis berechtige zunächst nur zur Recherche, ob sich im Untergrund womöglich Erdgas oder Erdöl findet. Dazu könne Aktenstudium ebenso dienen wie die Durchsicht von Diplomarbeiten.

Eine Genehmigung für technische Maßnahmen wie geophysikalische Untersuchungen oder Erkundungsbohrungen sei bislang nicht erfolgt. Der Bescheid stehe deshalb auch in keinem Zusammenhang mit der Fragestellung, ob Gorleben als Atommülllager aufgegeben werden solle. Der Landkreis verweist allerdings darauf, dass die Förderung den Planungen zufolge schon in drei Jahren beginnen könnte.

Dass sich im Bereich des Salzstocks Gorleben große Gas- und auch Ölvorkommen befinden, wissen Eingeweihte schon länger. Lange Zeit unter Verschluss gehaltenen Akten zufolge suchten DDR-Betriebe seit Mitte der 1950er Jahre in dem Salzstock, der sich beiderseits der Elbe ausbreitet, nach Gas und Öl. Auch bei Lenzen, nur einen Kilometer von der Elbe entfernt in Brandenburg gelegen, wurde gebohrt. In knapp 3.500 Metern Tiefe stießen die Mannschaften auf ein Gas-Laugen-Gemisch. Die Bohrstelle explodierte am 25. Juli 1969. Das Gasgemisch hatte sich am glühenden Auspuff eines Antriebsmotors entzündet. Der Bohrstellenleiter starb bei dem Unglück, sechs Arbeiter wurden schwer verletzt.

Der Geologieprofessor Klaus Duphorn berichtete überdies im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages, dass das Erdgas- und Erdölreservoir im Salzstock mindestens 100.000 bis eine Million Kubikmeter groß ist. Duphorn beruft sich auch auf ihm überlassene Akten eines Geologen aus Schwerin über die Gas- und Ölbohrungen in der DDR. Die Vorkommen bedeuteten für ein mögliches Atommülllager eine große Gefahr. „Duphorn bezeichnete die Erdgasvorkommen als das akute Hauptproblem, das das Projekt Gorleben zum Scheitern bringen werden“, sagte ein Ausschussmitglied. REIMAR PAUL