Erdbeben in China: Wieder viele Kinder unter den Toten
Das Erdbeben in China fordert mehr als 600 Tote, darunter besonders viele Schulkinder. Mehr als 2000 Einwohner konnten bislang lebend aus den Trümmern geborgen werden.
PEKING tazDünne Luft in 4.000 Meter Höhe, eiskalter Wind, Nachbeben und Erdrutsche behinderten gestern die Helfer in Chinas Nordwesten: Die Zahl der Opfer der schweren Erdstöße, die am Dienstag früh die Präfektur Yushu erschüttert hatten, stieg bis zum Nachmittag auf 617 Tote an. Über 2.000 Menschen konnten in diesen ersten Stunden lebend aus den Ruinen ihrer Häuser geborgen worden, mehr als 300 wurden noch vermisst. Über 100.000 Menschen haben das Dach über ihrem Kopf verloren.
Chinas Fernsehsender zeigten Bilder der Zerstörung aus dem Berggebiet, das in der Provinz Qinghai nicht weit von der Grenze nach Tibet liegt. Im Internet kursierten Fotos von Leichen, die vor zerborstenen Gebäuden lagen. Inzwischen scheint sich auch die Befürchtung zu bestätigen, dass bei diesem Erdbeben - wie schon in Sichuan vor zwei Jahren - wieder viele Kinder und Jugendliche unter den Opfern sind.
Da die Dörfer und Siedlungen der Bauern und Nomaden auf dem Tibet-Qinghai-Plateau weit auseinander- und oft sehr abgeschieden liegen, wurden Grund-, Mittel- und Berufsschulen überwiegend zentral in der Kreisstadt Jiegu und in sechs weiteren Orten der Präfektur Yushu errichtet, die sich über mehr als 15.000 Quadratkilometer erstreckt.
Die meisten Schüler - fast alle Tibeter, die hier 97 Prozent der Bevölkerung stellen - schlafen deshalb in Wohnheimen neben ihren Unterrichtsgebäuden. Sie kehren gewöhnlich nur am Wochenende oder in den Ferien zu ihren Familien zurück. Nach ersten Informationen der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua starben in drei Schulen allein 66 Kinder und zehn Lehrer.
Mehrere Klöster des tibetischen Buddhismus in dieser landschaftlich schönen, aber armen Region sind ganz oder teilweise zerstört worden. Dazu gehört das Kloster Thrangu rund zehn Kilometer außerhalb der Stadt Jiegu. Wie viele ihrer Bewohner ums Leben kamen oder verletzt wurden, ist noch unklar. Unter den Helfern, die gestern weiter nach Verschütteten suchten, waren auch Gruppen von Mönchen in scharlachroten Roben zu sehen.
Chinesische Freiwillige und internationale Spenderorganisationen haben begonnen, Geld zu sammeln und Hilfe zu organisieren. Ausländische Helfer sind von den Behörden in dieser Region allerdings nicht gern gesehen - wie schon vor dem Erdbeben. Die Regierung will Kontakte zu der Bevölkerung vermeiden, die überwiegend Anhänger des in Peking verhassten Dalai Lama sind. Mit dem Hinweis, die Situation in der Erdbebenregion sei wegen schwerer Nachbeben zu gefährlich, hatten die Behörden zunächst versucht, nur ausgewählte Reporter der Nachrichtenagentur Xinhua zuzulassen und andere Medien angewiesen, sich zurückzuziehen. Wie beim Erdbeben in Sichuan im Mai 2008 scherten sich viele Berichterstatter nicht um die Order. Ausländischen Journalisten wurde freier Zugang nach Yushu zugesichert.
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