Erbschaftsteuer bleibt ungerecht: KOMMENTAR VON ULRIKE HERRMANN
Die Erbschaftssteuer wird nicht abgeschafft. Darauf haben sich SPD und Union nun nach langem Ringen verständigt. Finanziell hat dieser Kompromiss für den Staat kaum Folgen, denn im vergangenen Jahr wurden sowieso nur ganze 3,76 Milliarden Euro an Erbschaftssteuer eingenommen. Die Tabaksteuer, zum Vergleich, brachte 14,3 Milliarden Euro ein.
Die Erbschaftssteuer ist eine Bagatellsteuer – und wird es bleiben. Die Regierung will sie nur aufkommensneutral reformieren. Damit wurde die einzige Chance verschenkt, die krassen Vermögensunterschiede in Deutschland wenigstens ein bisschen zu korrigieren. Nur zur Erinnerung: Der letzte Armuts- und Reichtumsbericht ergab, dass die obersten zehn Prozent der Bevölkerung rund 47 Prozent aller Vermögenswerte besitzen, während die unteren 50 Prozent nur über ganze vier Prozent verfügen. Übrigens wurden diese Zahlen noch vor den Hartz-IV-Reformen erhoben, so dass sich die Kluft zwischen Reich und Arm inzwischen noch verbreitert haben dürfte.
Die Reform der Erbschaftssteuer wurde nötig, weil das Bundesverfassungsgericht nicht einsah, warum vererbte Immobilien nur mit etwa der Hälfte ihres wahren Wertes versteuert werden müssen. Schließlich werden Geld-Nachlässe voll belastet. Die Richter sahen den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Zu Recht. Und dennoch blieb ihr Urteil unbefriedigend. Denn das Bundesverfassungsgericht befasste sich nur mit der Gleichheit zwischen verschiedenen Erben – die Ungleichheit zwischen Erben und Nicht-Erben hingegen interessierte nicht.
Noch immer wird gern die Fiktion gepflegt, dass Deutschland eine Leistungsgesellschaft sei. Tatsächlich jedoch entscheidet die soziale Herkunft über Chancen und Vermögen. Bekennende Klassengesellschaften wie etwa die USA oder Großbritannien haben weniger Mühe, diese reale Ungleichheit anzuerkennen – und besteuern Erbschaften und Vermögen deutlich drastischer. Auch in Deutschland wäre es an der Zeit einzuräumen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben und dass daher die Verfassungsbestimmung sehr ernst zu nehmen ist, dass „Eigentum verpflichtet“.
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