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Er muss es nur wollen

Seit Cölestin V. dürfen Päpste jederzeit kündigen. Getan hat es bisher nur einer

Der Letzte, der es schaffte, war Cölestin V. Er dankte im Dezember 1294 ab und zog sich ins Kloster zurück; die Herde kam auch ohne ihn zurecht. Es war der erste und einzige Amtsverzicht in der langen Reihe der Päpste. Während sich der Vatikan missliebiger Oberhirten dutzendweise durch das gewöhnliche Mittel des Mordes entledigte, schleppt das Kirchenrecht seit jenem Cölestin V. eine Regelung mit, die – neben offenkundiger Amtsunfähigkeit (zum Beispiel wegen Häresie oder Geisteskrankheit) als Grund der Amtsenthebung – ausdrücklich auch die Möglichkeit zum Verzicht auf das höchste Amt der katholischen Kirche offen lässt.

Doch scheinen die Betroffenen diesen Paragrafen nicht zu schätzen. Die Ideologen einer Kirche, die an der weltfremden Überhöhung des Papstamtes interessiert sind, verketzern selbst den Gedanken an einen freiwilligen Verzicht, als geriete dadurch die absolutistische Monarchie der Catholica in Gefahr.

Daher wird einiger Mut nötig sein, das Tabu zu durchbrechen und ein solches Zeichen zu setzen. Das Kirchenrecht macht es relativ einfach: Zur Gültigkeit des Amtsverzichts reicht eine bloße Erklärung aus. Der Papst, auch hierin absoluter Herrscher, ist der Kirche nicht einmal eine Begründung schuldig; der Verzicht muss nicht durch das Kardinalskollegium oder ein Konzil angenommen werden. Johannes Paul II. könnte schlicht sagen: „Das war’s. Ich kann nicht mehr.“

Karol Wojtyla, der den Wechsel ins neue Millennium – und in sein Heiliges Jahr – eben noch bewältigt hat, verfällt zusehends. Biografen bescheinigen diesem Mann eine ausgeprägt meditative Begabung. Weshalb sollte er die Zeit nicht so nutzen? Ein Verzicht wäre keine Schande, sondern ein Bekenntnis, dass auch Päpste nur Menschen sind. Übrigens: Cölestin V. wude später heilig gesprochen. Horst HerrmannHerrmann ist der Lehrerlaubnis enthobener Kirchenrechtler

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