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Archiv-Artikel

„Er ging aufs Ganze“

INTENSITÄT Eine Kommunikation, in der Liebe und Arbeit eins sind: Elfie Mikesch über ihren Film „Mondo Lux“ (Panorama)

Elfi Mikesch

■ geb. 1940, lebt seit 1965 als Fotografin, Kamerafrau, Autorin und Regisseurin in Berlin. In 17 eigenen Filmen und rund 40 weiteren – u. a. von Rosa von Praunheim, Monika Treut, Peter Lilienthal, Harald Bergmann und Cynthia Beatt – entwickelte sie ihre eigenwillige, diskret expressive Kamerahandschrift.

INTERVIEW CLAUDIA LENSSEN

Mit Werner Schroeter drehte Elfi Mikesch die Filme „Der Rosenkönig“ (1984–86), „Malina“ (1991), „Abfallprodukte der Liebe“ (1996) und „Deux“ (2002). Gemeinsam erhielten sie kurz vor Werner Schroeters Tod im vergangenen Jahr den Friedrich Wilhelm Murnau Filmpreis.

taz: Frau Mikesch, Ihr neuer Film „Mondo Lux“ gründet auf Ihrer jahrzehntelangen Freundschaft mit Werner Schroeter. Wie kam es dazu, seine konkrete fortlaufende Arbeit bei Theaterproben und der Synchronisation seines letzten Films „Diese Nacht“ in den Mittelpunkt Ihres Porträts zu rücken?

Elfi Mikesch: Die Arbeit sagt sehr viel Persönliches aus. Wenn ich Werner Schroeter begleite und ihn bei der Arbeit beobachte, treffe ich auf Vertrautes, das ich aus unserer früheren Zusammenarbeit und vielen Gesprächen kenne. Das ist mir so gegenwärtig, dass ich auch fast ein Jahr nach seinem Tod am liebsten in der Gegenwartsform darüber spreche. Ich bin sicher, dass die Motive, die ihn sein ganzes Leben begleitet haben, in der Inszenierungsarbeit, die wir dokumentieren, unter neuen Aspekten wieder auftauchen. Solche Beweglichkeiten haben mich interessiert, sie waren sehr präsent, auch als ihn seine Krankheit schon viel Kraft kostete.

„Mondo Lux“ greift seine Leitmotive assoziativ auf, durch sparsame Zitate aus seinen Filmen und Kommentare seiner Freunde und Freundinnen. Sahen Sie Werner Schroeters Lebensgeschichte und die lange Liste seiner Filme, Opern- und Theaterinszenierungen eher als Hintergrund, den man nicht kennen muss?

Es ging uns um die besondere Kommunikation, in der Leben und Arbeit eins sind. Werner Schroeter beschwor existenzielle Zustände, er hat sie durch eine bestimmte Intensität eher sanft als zerstörerisch in seinen Schauspielern und seiner gesamten Umgebung provoziert und damit die Welt immer neu infrage gestellt. In seinen Filmen und seinen Stücken gibt es Subtexte, die ich als Zuschauer selbst finden und mir erschließen kann, gleich ob in abgeschlossenen Filmwerken oder im offenen Entstehungsprozess am Theater. Ich glaube, es war seine große Leidenschaft, nicht nachzugeben darin, Fragen zu stellen, ohne sie je beantworten zu können. In „Abfallprodukte der Liebe“ fragte er zum Beispiel Opernsänger und Diven nach den Zusammenhängen ihrer Liebes- und Lebenserfahrungen mit ihrer künstlerischen Ausdruckskraft.

Was halten Sie davon, Kunst als ein Beiprodukt der Liebe zu behaupten? Muss man lieben können, um Künstler zu sein?

Ich verstehe das als Angebot, neu über die Liebe und alles, was sich damit verbindet, nachzudenken. Es gibt viele Gesichter der Liebe, sie ist nicht auf einen Fixpunkt konzentriert. Die „Abfallprodukte“, die aus diesem offenen Liebesbegriff entstehen, erzählen Geschichten über Menschen und ihre Kommunikation, auch die scheiternde. Das ist ein Kosmos mit Facetten, die ich so noch nie gesehen habe. Dass Werner Schroeter zulässt, heute zu fragen, was Liebe bedeutet, finde ich schön. Es bleibt ein Fragezeichen, aber er appelliert daran, den eigenen Standpunkt dazu zu finden. Ich sehe auch, dass die Wahrheit eben rund ist und nicht auf einen Punkt zu bringen. In den Proben zu „Antigone/Elektra“ sieht man die Intensität, das Tasten, Suchen, Scheitern, all die lebensbewegenden Unsicherheiten und Zufälle, die die Frage provoziert und die eine Brücke zwischen Leben und Kunst sind.

Werner Schroeter beschreibt seine eigene Haltung als „tragisches Weltempfinden“.

Ja, er geht aufs Ganze. Das ist ja keine süßliche Harmonie, kein Kitsch, der ihm vorschwebt. Leidenschaft, die sich mit Liebe verbündet oder sich verweigert, ist die andere Seite, in der Mord und Rache herrschen. Die Katastrophen, in denen manche Gesellschaften zu leben gezwungen sind, beschäftigten Werner Schroeter immer wieder, auch in „Diese Nacht“ und in „Antigone/Elektra“, wo er sich mit Mord, Verrat, Gattenmord und Blutrache als alten Konstruktionen der menschlichen Gesellschaft auseinandersetzt. Es sind ja Glaubenssätze, die bis heute wirksam sind. Wo sind die Wurzeln? Vielleicht in alten patriarchalen Gefügen, die eine Hierarchie der Unterdrückung und Gewalt durchsetzen. Dies infrage zu stellen, liegt im gesamten Werk von Werner Schroeter auf die unterschiedlichste Weise ausgebreitet.

Er gilt aber doch eher als exzentrischer Ästhet.

Er sah, dass die technischen Neuerungen unglaubliche Veränderungen mit sich führen, daneben aber noch die alten Begriffe der Liebe, Leidenschaft und Sehnsucht existieren. Diese Zwischenzustände bringt er zum Vorschein, damit wir ein Bild davon haben. Das Gesicht seiner Lieblingsschauspielerin, Magdalena Montezuma, und viele andere Gesichter in seinen Filmen, Fotografien und Inszenierungen erzählen mir von Verborgenem, das ich auch in mir selbst wahrnehmen kann – nie eins zu eins, nie naturalistisch sondern existenziell. Diese Fantasie, diese Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie machen Werner Schroeter aus. Aber er sagt auch, dass Gedankenanstrengung nötig ist, um Poesie zu finden.

■ 16. 2., 17 Uhr, International; 17. 2., 14.30 Uhr, sowie 19. 2., 20 Uhr, CineStar7