doppelblind
: Epstein-Barr- Virus
unter Verdacht

Viren sind ziemlich wandlungsfähige Wesen, das hat die Coronapandemie inzwischen einmal mehr gezeigt. Manche viralen Erreger aber haben zusätzlich noch andere Strategien als die fortlaufende Veränderung zum Überleben gewählt. Einige verlassen den menschlichen Körper ganz einfach überhaupt nicht mehr – nach der Infektion schlummern sie im Körper, manche wachen wieder auf, andere ruhen für immer. Und in einigen Fällen können sie eine Ursache für weitere Erkrankungen sein. Zum Beispiel für Multiple Sklerose.

Das entzündliche Leiden des zentralen Nervensystems ist eine Autoimmunkrankheit und gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen unter jungen Erwachsenen. Warum sie entsteht und wie sie sich eventuell sogar verhindern lässt, ist bis heute ein medizinisches Rätsel. Doch wie eine aktuelle Studie der Harvard T. H. Chan School of Public Health und der Harvard Medical School nun zeigt, könnte eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, dem Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers, eine zentrale Rolle in der Entstehung der oft tödlich verlaufenden Multiplen Sklerose spielen.

Wie die For­sche­r:in­nen jetzt in Science berichten, wurden für die Studie rund 10 Millionen Angehörige des US-amerikanischen Militärs untersucht, darunter waren auch knapp tausend Pa­ti­en­t:in­nen mit Multipler Sklerose. Die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen testeten zunächst, welche Teil­neh­me­r:in­nen Antikörper gegen das latent im Körper verbleibende Virus entwickelt, also eine Infektion durchgestanden hatten. Anschließend verglichen sie die Anteile in den an Multipler Sklerose erkrankten und in den nicht erkrankten Proband:innengruppen. Das Ergebnis war erstaunlich klar.

Bis auf einen Fall hatten alle Teil­neh­me­r:in­nen mit MS nachweislich eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus gehabt. Unter den anderen knapp 10 Millionen war die Quote deutlich niedriger. Die Au­to­r:in­nen des ­Science-Beitrags schließen daraus, dass eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus das Risiko für Multiple Sklerose um das 32-Fache steigert – etwa so, wie Rauchen das Risiko für Lungenkrebs steigert.

Obwohl ein Zusammenhang also offenkundig sein dürfte, bleibt allerdings unklar, über welchen Mechanismus das Virus die Entstehung der Autoimmunerkrankung triggert. Offen ist auch noch, welchen Einfluss andere Faktoren, etwa die Genetik, auf die Erkrankung haben. Eine rasche Behandlung nach der Infektion oder eine Impfung gegen das vom Epstein-Barr-Virus verursachte Pfeiffersche Drüsenfieber könnten das Risiko allerdings stark senken. (zint)