Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes: Ein bisschen Fortschritt
Das alte, diskriminierende Transsexuellengesetz ist endlich bald Geschichte. Das neue Gesetz sollte nicht weiter verwässert werden.
N a endlich! Es gibt einen Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz. Die Ministerien der Justiz von Marco Buschmann (FDP) und Familie von Lisa Paus (Grüne) haben sich geeinigt. Der Entwurf zeigt: Mit der FDP ist immerhin ein bisschen Fortschritt im (Queer-)Feminismus zu haben. Ein Feminismus zwar, der mit wirtschaftsliberalen Interessen auf jeden Fall vereinbar sein muss und viele Wenn und Aber vorsieht, aber ein Vorankommen bedeutet.
Zum Hintergrund: Das Gesetz soll regeln, wie möglichst niedrigschwellig Vorname und Geschlechtseintrag geändert werden können. Bislang gilt das Transsexuellengesetz (TSG), das 1980 unter der diskriminierenden Annahme entstand, trans, inter und nichtbinäre Menschen seien „krank“.
Mehrere Male hat das Verfassungsgericht das TSG als verfassungswidrig eingestuft, immer wieder wurde es nachgebessert. Bis heute ist das Prozedere für Betroffene teuer und entwürdigend: Um den Geschlechtseintrag anzupassen, sind Gerichtsverfahren und zwei psychologische Gutachten nötig. Wann bekamen Sie Ihre Schamhaare? Wie oft masturbieren Sie? Niemand sollte diese Fragen beantworten müssen, wenn es um die Änderung des Geschlechtseintrags geht.
Das Gesetz wird mit großer Hoffnung von trans, inter und nichtbinären Menschen erwartet, die nichts weiter wollen als einen respektvollen Umgang. Den will die Bundesregierung mit dem „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ schaffen.
Es ist vorgesehen, dass der Geschlechtseintrag sowie der Vorname künftig auf dem Standesamt geändert werden können. Nach einer dreimonatigen Wartezeit ist die Änderung gültig. Kinder und Jugendliche sollen mit dem Einverständnis ihrer Sorgeberechtigten Vornamen sowie Geschlechtseintrag ändern können. Vieles im Entwurf trägt die Handschrift der FDP, etwa die dreimonatige Wartezeit, die in den veröffentlichten Eckpunkten nicht angedacht war.
Sonderklausel beim Hausrecht
Auch soll es eine gesonderte Klausel zum Hausrecht geben. Demnach ist beim Eintritt in Frauensaunen und Umkleidekabinen das Geschlecht im Personenstandsregister nicht ausschlaggebend. Das ist nicht gerade liberal. Im Gesetzentwurf wird betont, dass es die Rechtslage im Hausrecht nicht verändert. Allerdings ist eine betonte Erwähnung in diesem Zusammenhang eine absurde Verschiebung der Debatte. Der Entwurf ist also schon jetzt ein Kompromiss und sollte von der Regierung nicht noch weiter abgeschwächt werden.
Wenn es zu weiteren Beschlüssen kommt wie etwa zur gesundheitlichen Versorgung von trans, inter und nichtbinären Menschen, ist man in der Koalition hoffentlich mutiger. Auch FDP-Männern würde dadurch nichts weggenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen