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■ Entwicklungspolitik für die Dritte WeltWas hilft aus dem Schlamassel?

betr.: „Reformen statt Schminke“, taz vom 23./24. 3. 02

Die dem Artikel unterliegende Grundaussage scheint zu sein, dass Entwicklung und Wachstum nichts miteinander zu tun haben. Im Gegenteil scheint Wachstum nach Meinung des Autors zur weiteren Verarmung großer Teile des Kontinents beizutragen.

Mir erscheint diese Sichtweise nicht konsistent! In großen Teilen von Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika liegt das BIP pro Kopf unter 1.000 Dollar. Da das Bevölkerungswachstum häufig über dem Wirtschaftswachstum liegt, sinkt das BIP pro Kopf Jahr für Jahr immer weiter. Die Länder verarmen immer mehr. Für Investitionen in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, also absolut notwendigen Voraussetzungen für Entwicklung im sozialen als auch im wirtschaftlichen Bereich, stehen pro Kopf immer weniger Mittel zur Verfügung. Die Länder befinden sich auf einer Verarmungsspirale nach unten, gerade weil kein Wachstum in ausreichendem Maße generiert wird. Da diese grundlegenden Zusammenhänge allgemein bekannt sind, ist mir unklar, worin genau die Kritik an dem „einseitig wachstumsorientierten Entwicklungsmodell“ besteht? Da ich momentan keine Alternative zu einem stabilen Wachstumspfad für Entwicklungsländer erkennen kann, wäre ich sehr dankbar für eine konstruktive Antwort, die andere Optionen aufzeigt. MARK OLIVER JÜNEMANN, Göttingen

betr.: „Maos Arbeiter protestieren“, taz vom 22. 3. 02

Ob nun 0,3 Prozent oder 0,7 Prozent Entwicklungshilfe – das ist nicht das alleinige Problem. Es geht auch um die Verwendung der Gelder. Zum Beispiel: Auf dem Lande in der VR China kann die grundlegende Erziehung, das heißt ein fünfjähriger Schulbesuch, vielfach nur noch garantiert werden über innerchinesische NGOs wie das Project Hope, das versucht, mit Spenden reicher Chinesen aus den Städten, von Ausländern und chinesischen und ausländischen Firmen Bauernkindern den Schulbesuch zu ermöglichen, oder über ausländische Entwicklungshilfe. Der chinesische Staat zieht sich aus diesem Bereich zurück, gleichzeitig werden seit 14 Jahren die Militärausgaben im zweistelligen Bereich erhöht. Von der Korruption ganz zu schweigen.

Die BRD unterstützt zum Beispiel kleinbäuerliche Aufforstung in den Provinzen Gansu und Hubei und am oberen und mittleren Jangtse mit insgesamt bis zu 20 Millionen Euro. So werden die durch den Wirtschaftskurs der KP-Führung bedingten immensen ökologischen Schäden mit ausländischen Geldern wieder „repariert“. Ist das der Sinn finanzieller Zusammenarbeit?

1999 erhielt eine Jugendgruppe des DGB-Bildungszentrums Oberursel in Peking vom Vertreter der dortigen Niederlassung der Friedrich-Ebert-Stiftung auf die Frage, ob es in China eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung gebe und was er davon halte, sinngemäß zur Antwort, eine solche gebe es nicht, sie spiele keine Rolle und sei auch nicht nötig. Obwohl damals regelmäßig „Arbeiterführer“ inhaftiert worden sind, wie jetzt auch wieder in Lioayang. Warum vergeudet die Friedrich-Ebert-Stiftung ihr Geld in Kooperationen mit dem offiziellen, regimetreuen Gewerkschaftsbund in China? HELMUT FORSTER-LATSCH, Frankfurt

betr.: „Vergesst Monterrey“, taz vom 18. 3. 03

So richtig es ist, die Rolle des Privatsektors in Entwicklungsprozessen zu diskutieren, wie dies Dominic Johnson forderte, so unvollständig und teils problematisch sind seine Schlussfolgerungen.

Erstens ist es aus ökonomischer Perspektive kein Zufall, dass Johnson zwei Beispiele stark macht, in denen aus Ressourcen entstehende ökonomische Renten das Movens der Kapitalakkumulation darstellen, nämlich Öl und Coltan. Allerdings sollte eine Rohstoffökonomie nicht Vorbild für einen Entwicklungsprozess sein, denn hier geht es im Wesentlichen um die Bereitstellung von Kapital für die Erschließung sowie die Verteilung der erzielbaren Renten auf Gewinne, Löhne etc. Darüber hinaus ist das Wertschöpfungspotenzial begrenzt. Ziel sollte vielmehr eine Produktionsökonomie und eine damit verbundene selbst tragende Investionsdynamik sein, die zu auf breiter Basis steigenden Einkommen führt. Hierzu bedarf es freilich funktionierender Institutionen für eine Kreditwirtschaft, Gewinnerwartungen seitens der Investoren sowie ausgebildeter Beschäftigten (ökonomisches Humankapital), Stichwort Wissensökonomie. Daraus resultiert die Priorität Bildung und Ausbildung, und hier sind staatliche Finanzressourcen weiterhin oft unverzichtbar. Denn warum sollte Shell jenseits der Förderung spezifisch auf die Ölförderung ausgerichteter Qualifikationen hierfür Teile seiner Renten zur Verfügung stellen, mit welchen Mitteln können andere Shell dazu bringen?

Zweitens sind aus sozialer Perspektive nicht nur die großen Konzerne ungleich reicher als vor 200 Jahren, sondern auch die nördlichen Industriestaaten. Daher leuchtet es nicht ein, warum jetzt unbedingt der Manchester-Kapitalismus mitsamt seinen sozialen Folgen für die arbeitende, vor allem aber die Landbevölkerung wiederholt werden muss. Eine soziale Abfederung und Armutsbekämpfung müssen daher auf der Agenda bleiben. Auch hierfür braucht es staatliche Entwicklungsfinanzierung!

Drittens ist aus ökologischer Perspektive klar, dass eine nachholende Entwicklung, die wie in Europa von Kohle und Stahl bzw. reiner Ressourcenausbeutung getragen wird, global nicht nachhaltig ist. Das von Johnson angeführte Beispiel Öl mit den sich erschöpfenden Ölvorräten und den damit verbundenen Treibhausgasemissionen ist ein gutes Beispiel. Wenn also ein öldominierter Entwicklungspfad für Nigeria langfristig nicht zukunftsfähig ist, bedarf es staatlicher Finanzierung aus dem Norden als Kompensation bzw. zur Ermöglichung anderer Entwicklungspfade. Genau um diesen Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung wird es bei Rio + 10 in Johannesburg gehen – und für den Erfolg dieses Gipfels ist insbesondere eine glaubwürdige Verpflichtung des Nordens zur Erhöhung der staatlichen Entwicklungsfinanzierung entscheidend. Es ist sehr zu bezweifeln, dass uns Johnsons private Unternehmer aus dem Schlamassel helfen. JAN NILL, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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