Entwicklungshilfe trotz Regimekritik: Deutsche Gratwanderung in Syrien
Trotz der Sanktionen gegen das Assad-Regime erhält Syrien nach wie vor für einige Projekte Entwicklungshilfe aus Deutschland. Eine schwierige Abwägung.
BEIRUT taz | Enge Gassen voller windschiefer Häuser, Orangenbäume in den Innenhöfen, elegante Restaurants neben traditionellen Märkten. In den halb verfallenen Siedlungen der Altstadt von Damaskus hat sich in den vergangenen Jahren vieles bewegt, unter anderem mithilfe deutscher Entwicklungsgelder. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt die Sanierung des historischen Stadtkerns im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).
Die Hilfsprojekte im Bereich Stadtentwicklung zählen, neben der Modernisierung der Trinkwasserversorgung, zu den Maßnahmen, die Deutschland trotz des brutalen Vorgehens des Regimes von Präsident Baschar al-Assad gegen die Protestbewegung fortführt. Zwar ist die deutsche Entwicklungshilfe für Syrien eigentlich bereits im April komplett gestrichen worden, die Süddeutsche Zeitung berichtete jedoch am Montag, dass trotz der Sanktionen sechs Projekte weiterlaufen, für die insgesamt noch 5,08 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das BMZ erklärte, es handele sich um Ausnahmen, die Flüchtlingen oder der syrischen Bevölkerung zugutekommen.
"Wenn wir die Programme im Bereich Stadtentwicklung beenden, dann schadet das den Menschen. Denn dabei geht es ja darum, die Lebensbedingungen der Anwohner zu verbessern", sagt Kamal Bittar, der zuständige Projektmanager bei der GIZ in Aleppo. Jegliche Kooperation mit der syrischen Regierung dagegen sei eingestellt worden: "Wir setzen die Projekte mit den Gemeindeverwaltungen um, mit ortsansässigen NGOs, Freiwilligen und der Zivilgesellschaft."
Doch ganz so einfach ist es nicht, sagt Amer al-Sadeq, ein demokratischer Aktivist in Damaskus. "Alles, was in Syrien geschieht, steht unter der strengen Kontrolle des Regimes. Hier können nur NGOs arbeiten, die mit dem Regime in Verbindung stehen." Wegen der weit verbreiteten Korruption sollten Länder wie Deutschland nur die Projekte fortsetzen, bei denen Transparenz sichergestellt ist, meint der Aktivist. "Ich denke, die Renovierung der Altstadt zum Beispiel kann durchaus warten, bis die Renovierung des politischen Systems in Syrien abgeschlossen ist."
Auch der Menschenrechtler Wissam Tarif geht nicht davon aus, dass sich das Regime in Damaskus bei der Entwicklungsarbeit umgehen lässt. "Der syrischen Zivilgesellschaft war es noch nie erlaubt, unabhängig zu operieren." Dagegen, dass die Bundesregierung die Menschen unterstützt, sei freilich nichts zu sagen: "Der Druck sollte sich gegen das Regime richten, nicht gegen die Bevölkerung." Die Frage sei jedoch, in wie weit für Nachvollziehbarkeit gesorgt werden kann. Ein Beispiel, wie Regime internationale Hilfe für seine Zwecke nutzt, sei der Rote Halbmond. "Der Rote Halbmond ist in Syrien absolut pro Regime", sagt Tarif. "Wir wissen von Fällen, in denen Krankenwagen des Roten Halbmondes eingesetzt werden, um Milizionäre in die Städte zu transportieren."
Ein Sprecher des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Damaskus bestreitet die Vorwürfe. Aktivisten in Syrien allerdings bestätigen die Berichte des Menschenrechtlers. "Manchmal werden die Krankenwagen auch zum Abtransport verhafteter Demonstranten benutzt", sagt Mohammed, ein Arzt aus Damaskus. "Andererseits aber hilft der Rote Halbmond vielen Menschen. Außerdem widersetzen sich einige Ärzte der regimetreuen Linie und unterstützen die Protestbewegung, etwa, indem sie trotz der Verbote die Schusswunden von Demonstranten behandeln."
So ist die Situation in Syrien vieldeutig und komplex. Die Süddeutsche Zeitung schreibt, die Entwicklungshilfe könne die deutsche Kritik am Vorgehen des Regimes aushebeln und greift damit zu kurz. Denn gerade in diesen Zeiten sind die Menschen auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen, sagt Mohammed: "Es ist davon auszugehen, dass sich die Regierung einen Teil des Geldes einsteckt. Doch selbst, wenn nur 10 Prozent bei der Bevölkerung ankommen, ist das noch sehr wichtig, zumal viele derzeit nicht arbeiten gehen können", meint der Mediziner. "Für die Regierung sind das kleine Beträge, die keinen großen Unterschied machen."
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