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Entstehung von Gesellschaften

■ Western und Vorträge: John-Ford-Retrospektive im Metropolis

Wenn man den Namen John Ford hört, denkt man spontan an Western. Und wenn man nach John Ford höchstpersönlich geht, dann ist das auch ganz richtig so. Auf einer Versammlung US-amerikanischer Regisseure stellte er sich mit den Worten vor: „Mein Name ist John Ford. Ich mache Western.“ Sieht man sich seine Filmographie an, liegt allerdings auf der Hand daß diese Selbstbeschreibung nicht ausreicht. Ebenso klar ist, daß er das Genre um etliche seiner Klassiker bereichert hat. So ist es auch nicht verwunderlich, daß sieben der zehn John-Ford-Filme, die das Metropolis in diesem Monat im Rahmen einer kleinen Retrospektive zeigt, Western sind.

Eine besondere Affinität verbindet Ford mit John Wayne, für den er eine Rolle kreierte, die er im Laufe der Zeit aus einer zunehmend pessimistischen Perspektive zeigte: der Einzelgänger und Außenseiter, der gleichwohl als Held unabdingbar für den Entstehungsprozeß der Gesellschaft im Westen ist. Als der Outlaw Ringo Kid in Ringo – Höllenfahrt nach Santa Fe (1939) rettet Wayne erst die Insassen einer Postkutsche vor einem Indianerangriff und sühnt ein Verbrechen, bevor ihm noch die Familiengründung mit einer Prostituierten (ebenfalls eine Außenseiterin) zugestanden wird. In Der schwarze Falke (1956) ist Ethan Edwards schon nicht mehr vergönnt, an der Gesellschaft teilzuhaben. Vom Haß auf die Indianer und sich selbst getrieben, findet er nach jahrelangem Suchen die Tochter seines Bruders. Er selbst bleibt von der Familienzusammenführung ausgeschlossen und muß seinen einsamen Weg fortsetzen. Der Mann, der Liberty Valance erschoß (1962), eine bittere Analyse dieses Mythos, zeigt Wayne nur noch als Funktionsträger, der seinen Ruhm und seine Geliebte an den Vertreter einer zukünftigen Gesellschaftsordnung, einen Rechtsanwalt, abtritt. Er hat als Held ausgedient.

Eine neue, kompetente Sichtweise auf den Regisseur (und Menschen) John Ford verspricht das Begleitprogramm zur Retrospektive. Der Bostoner Filmhistoriker Tag Gallagher wird an vier Abenden dem Publikum seine umfangreichen Ford-Kenntnisse zur Verfügung stellen. Der Autor der bisher umfangreichsten und genauesten Ford-Biographie ist laut Heiner Ross, dem Leiter des Metropolis, einer der herausragendsten Filmforscher überhaupt. Und einer der fleißigsten allemal. So habe Gallagher sich als einziger die Mühe gemacht, der Geburtsurkunde Fords nachzuspüren, um schließlich dessen selbstinszenierter Unklarheit über sein Geburtsdatun ein Ende zu setzen. Außerdem zeichne Gallagher eine besondere Liebe zum Medium und Erlebnisort Kino aus und die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge einfach darzustellen. Auf jeden Fall kann man sich freuen auf ungewöhnliche Abende mit Ford und Gallagher, dem, so Ross, „einzigen Hippie in Boston“. Sven Sonne

Filme siehe Kinoprogramm

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