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Entsetzt -betr.: "Auschwitz-Mythos", taz vom 7.9.1995

Betr.: „Auschwitz-Mythos straffrei“, 7. 9. 1995

Nachdem ich den o.a. Artikel über den Freispruch des Neonazis Goertz gelesen hatte, war ich doch ziemlich entsetzt, nicht nur über das Urteil, sondern auch über die Argumente, mit denen Goertz' Anwalt seinen Mandanten zu verteidigen versucht. „Der Begriff (Mythos) sei...positiv besetzt und keineswegs mit Lüge gleichzusetzen. Er bezeichne vielmehr die Glorifizierung und Erhöhung“. – Ist denn niemandem aufgefallen, was das im Klartext heißt? Auschwitz als Symbol für die Judenvernichtung im 3. Reich „positiv besetzt“, eine „Glorifizierung“ – keine Leugnung, nein, Auschwitz war klasse, Leute, weiter so! – ist das weniger Volksverhetzung als eine Leugnung? Und das Ganze sei dann „keineswegs antisemitisch“ – das schreit doch zum Himmel!

Meinte RA Eisenecker genau das, oder ist er nicht fähig, seine Argumente zu Ende zu denken?

Und was sagt das über das Schubladen-Denken unserer Justiz aus, wenn sie sich in dem Prozeß ausschließlich damit beschäftigt, ob der Begriff die Leugnung von Auschwitz bedeutet, und nicht auch, was damit noch gemeint sein könnte, bzw. was für verbrecherische, entlarvende Argumente dabei zusätzlich gebracht werden und worum es eigentlich geht.

Ich wünsche uns allen, den Deutschen jeden Glaubens sowie den Ausländern, die in Deutschland leben, eine Justiz, die ein bißchen denken kann. Antje Gärtner

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