■ Entsendegesetz soll der Bundeswehr auf die Sprünge helfen: Vefassungsdeuter Volker Rühe
Rudolf Seiters stellt „Vorüberlegungen“ an: Um die ostdeutschen Grenzen gegen weitere illegale Zuwanderer abzusichern, will der Bundesinnenminister zeitweilig Militär an den Bundesgrenzschutz abkommandieren. Soldaten sollen für den polizeilichen Alltag qualifiziert werden. Daß es dazu einer Grundgesetzänderung bedarf, weiß man auch im Hause Seiters. Der Minister muß also mindestens zwei Drittel der Parlamentarier von seinem Vorhaben überzeugen. Ein übliches, ein demokratisches Verfahren.
Volker Rühe, wie Seiters Christdemokrat, liegt die Ausweitung der Befugnisse der Bundeswehr ebenso am Herzen. Anders als sein Kollege aus dem Innenressort, will er die Bundeswehr künftig auch außerhalb der deutschen Grenzen an bewaffneten Missionen der Vereinten Nationen teilnehmen lassen. Auch hierfür müßte das Grundgesetz geändert werden. Es schreibt vor, daß die Streitkräfte nur zur Verteidigung der Bundesrepublik herangezogen werden dürfen. Ein Verfassungsgrundsatz, der allerdings schon mit der Notstandsgesetzgebung eingeschränkt wurde.
Im Gegensatz zum Innenminister vertritt der oberste Soldat allerdings die Auffassung, bei seinen Plänen auf eine Verfassungsänderung verzichten zu können. Für den Fall, daß die Opposition nicht zustimmen mag, soll ein „Entsendegesetz“, im Bundestag mit einfacher Mehrheit zu verabschieden, die rechtliche Grundlage für den erweiterten Bundeswehrauftrag hergeben. Möglich wird das durch die schlichte Behauptung, daß das Grundgesetz gar nicht geändert werden muß. Bleibt dem verdutzten Betrachter die Frage, warum die Christdemokraten dann seit Jahren für eine Grundgesetzänderung gestritten haben. Kurios sind die Überlegungen der CDU allemal: Das Grundgesetz muß geändert werden, damit die Bundeswehr an der ostdeutschen Grenze Dienst schieben darf. Doch wenn der Auftrag Kampfeinsatz im Rahmen der UNO lautet, dann wird eine Grundgesetzänderung plötzlich zum überflüssigen Ritual. Die vielbeschworene Verfassung – für die Union grundsätzlich schon schön, aber irgendwie doch nebensächlich. Wolfgang Gast
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen