Entscheidung über Georgien-Mitgliedschaft: Nato übertüncht Uneinigkeit
Die Militärallianz gründet einen Nato-Georgien-Ausschuss und verschiebt die Entscheidung über die Nato-Mitgliedschaft Georgiens wie gehabt auf Dezember.
Zu Beginn der Brüsseler Krisensitzung des Nato-Rats mahnte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner seine 25 AmtskollegInnen zu einem "gemeinsamen, wirksamen Signal" mit Blick auf den Kaukasuskonflikt. Doch die gemeinsame Abschlusserklärung des von der US-Außenministerin Condoleezza Rice beantragten Treffens übertüncht mit ihren Kompromissformeln weiterhin schwelende Konflikte, die auch auf der nächsten turnusgemäßen Sitzung des Rates im Dezember kaum gelöst werden dürften.
Zwar beschlossen die Außenminister die Schaffung eines permanenten "Nato-Georgien-Rates". Doch der Dissens über den Zeitplan und die Bedingungen für eine eventuelle Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Militärallianz, der bereits auf dem Nato-Gipfel im April in Bukarest deutlich wurde, ist durch den Krieg im Kaukasus noch größer geworden.
Der Bukarester Gipfel hatte den beiden Staaten lediglich ein grundsätzliches Versprechen auf die Mitgliedschaft gegeben und beschlossen, auf der Ratssitzung im Dezember erneut über diese Frage zu diskutieren: unter Berücksichtigung der bis dahin erzielten Fortschritte beider Länder bei der Erfüllung der Beitrittsvoraussetzungen (Demokratisierung, Stabilisierung, Armeereform u. a.).
Die Bündnisvormacht USA, Polen, Tschechien und die drei baltischen Staaten wollten den Beitrittsprozess für Georgien und die Ukraine bereits auf dem Bukarester Gipfel mit der Aufnahme beider Staaten in das "Aktionsprogramm für die Mitgliedschaft" (Membership Action Programme, MAP) formal in Gang setzen.
Diese Forderung scheiterte damals am Widerspruch von sieben Nato-Mitgliedern unter Führung Deutschlands und Frankreich. Nun drängten die USA und ihre osteuropäischen Verbündeten auf eine Festlegung, dass der Beschluss zur Aufnahme Georgiens und der Ukraine in das MAP nun auf der Ratssitzung im Dezember erfolgen soll.
Doch eine Mehrheit der 26 Mitgliedsstaaten lehnte eine solche Festlegung ab. In dieser Situation blieb als Kompromiss nur, den Beschluss von Bukarest zu bekräftigen. Deutsche Nato-Diplomaten wiesen gestern darauf hin, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe sich mit ihrer am Sonntag in Tiflis abgegebenen Erklärung ("Georgien wird - wenn es will - Mitglied der Nato sein") im Rahmen des Bukarester Gipfelbeschlusses bewegt und die seinerzeit von ihr vertretene Position nicht verändert. Die in der taz und anderen Medien aufgenommene Interpretation, Merkel habe in Tiflis eine "überraschende Wende" vollzogen, sei "falsch".
Große Uneinigkeit herrschte unter den Außenministern der Allianz gestern auch über die Bedeutung des Nato-Russland-Rates. Mehrere Außenminister kritisierten, dass die USA eine ursprünglich bereits für letzte Woche Mittwoch auf Antrag Russlands angesetzte Krisensitzung dieses Gremiums sabotiert und verhindert hatten. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn machte diese Kritik sogar öffentlich: "Wenn wir einen Nato-Russland-Rat haben und der kommt nicht zusammen nach dem, was jetzt geschehen ist, dann frage ich mich, welchen Sinn er überhaupt hat." Er sei "sehr betrübt, dass Russland und Amerika nicht fähig sind, miteinander über ein sehr, sehr wichtiges Problem zu reden", erklärte der luxemburgische Außenminister. Der Nato-Russland-Rat müsse unbedingt erhalten bleiben. Die Außenminister der Niederlande und Großbritanniens wandten sich gegen Forderungen der USA, die Arbeit des Rates ganz auszusetzen oder ihn zumindest nicht mehr auf Ebene der Minister, sondern nur noch der Brüsseler Nato-Botschafter tagen zu lassen.
Vereinbart wurde schließlich, dass der Rat zumindest bis zum Abzug der russischen Truppen aus Georgien nicht zusammentreten soll. Umstritten war schließlich auch der Vorschlag der USA, zivile Experten der Nato nach Georgien zu entsenden, um Kriegsschäden an "kritischer Infrastruktur" abzuschätzen.
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