: Entschädigung für Sexualopfer verbessert
■ Bundessozialgericht stärkt die Rechte von Vergewaltigten und Kindern
Kassel (dpa) – Vergewaltigte Frauen und mißbrauchte Kinder bekommen künftig leichter eine Entschädigung für ihre psychischen Leiden nach der Tat. Das Kasseler Bundessozialgericht hat gestern in den ersten beiden von insgesamt vier Fällen entschieden, daß innerhalb von acht Monaten nach der Vergewaltigung typische Reaktionen wie Schlaflosigkeit, Depressionen und Angstzustände automatisch der Tat zugeordnet werden. Die betroffene Frau muß damit nicht – wie bisher verlangt – selbst nachweisen, daß die Vergewaltigung verantwortlich für ihr Leiden war (9/9a RVg 4/92). In dem behandelten Fall war der Zusammenhang zwischen den Schlafstörungen und Ängsten der Klägerin mit ihrer Vergewaltigung umstritten, weil sie bereits vor der Vergewaltigung schwere psychische Probleme bis hin zum Selbstmordversuch hatte.
Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts erhält die Klägerin nun im Rahmen der Opferentschädigung von Bund und Land einen finanziellen Ausgleich. Nach diesem Gesetz zahlt der Staat, wenn Bürger vorsätzlich und tätlich angegriffen wurden und dabei gesundheitliche Schäden erlitten. Bisher wurde diese Vorschrift jedoch sehr eng ausgelegt.
Beim Mißbrauch von Kindern löste sich das Gericht von der engen Definition des Gesetzes, daß ein „tätlicher“, also gewaltsamer Angriff vorangegangen sein müsse, wenn Anspruch auf Entschädigung bestehen soll.
Bei Mißbrauchsfällen liege die Gefahr manchmal gerade in der Gewaltlosigkeit oder sogar falschen Zärtlichkeit der Täter. Nach der Tat auftretende Leiden – auch hier gilt die Achtmonatsfrist – müßten dennoch entschädigt werden, sagte der Vorsitzende Richter.
Im vorliegenden Fall hatte der Täter ein fünfjähriges Kind ohne Gewaltanwendung überredet, mit ihm in die Badewanne zu gehen, und hatte es dort unsittlich berührt.
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