piwik no script img

Entlastung für Kinder PflegebedürftigerFür mehr Würde und Liebe

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Wenn Eltern zum Pflegefall werden, sollte es um Würde für alle Beteiligten gehen. Doch Angst vor finanzieller Überlastung war bisher berechtigt.

Eltern zu pflegen ist schwer genug, da kann man nicht auch noch finanzielle Angst gebrauchen Foto: Unsplash/Dominik Lange

E ndlich mal wieder ein gutes Signal in der Pflege: Kinder pflegebedürftiger Eltern müssen künftig nicht mehr damit rechnen, durch die in professionelle Hände gegebene Betreuung von Mutter und Vater selbst arm zu werden. Oder Haus und Hof verkaufen zu müssen, um das Pflegeheim bezahlen zu können. Dafür sorgt ein Kabinettsbeschluss mit dem sperrigen Titel „Angehörigenentlastungsgesetz“.

Was so bürokratisch klingt, dürfte vielen Menschen helfen: Nur wer mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verdient, muss anteilig die Kosten für die pflegebedürftigen Eltern übernehmen, wenn diese selbst kein Geld haben. Bisher liegen die Einkommensgrenzen für Alleinstehende bei 21.600 Euro netto im Jahr und für Familien bei 38.800 Euro netto. Alles, was darüber verdient wurde, konnte draufgehen für Pflegekosten. Mit dem Resultat, dass viele alte kranke Menschen lieber einsam zu Hause vor sich hin vegetieren, statt sich in einer öffentlichen oder privaten Einrichtung professionell betreuen zu lassen. Sie wollen den Kindern „nicht auf der Tasche liegen“, sagen die Betroffenen.

Nun ist die Pflege gebrechlicher Eltern mitnichten allein eine monetäre Angelegenheit, aber sie wurde bislang stark darauf reduziert. Weil allein die Aussicht, im Pflegefall nicht nur persönlich, sondern vor allem finanziell gefordert zu sein, Angst machte. Dann wird schon mal hin und her gerechnet, worauf man in den kommenden Jahren verzichten kann und muss – um am Ende vielleicht das billigste Pflegeheim anzusteuern, auch wenn das einen schlechten Ruf hat.

Viele Angehörige sind auf Pflegeheime für die Eltern angewiesen, weil die meisten selbst voll berufstätig sind, manche haben noch kleine Kinder. Sie können die private Pflege zu Hause schon rein organisatorisch gar nicht leisten. Und – das ist nicht zu vernachlässigen – professionelle Pflege trägt maßgeblich zum Familienfrieden bei. Nichts kann ein Eltern-Kind-Verhältnis mehr belasten als eine Pflicht, die als lästig und undankbar empfunden wird. Mit den eigenen Eltern ist es eben anders als mit den eigenen Kindern: Kinder bekommt man in der Regel freiwillig, Eltern kann man sich nicht aussuchen. Und nicht wenige Menschen werden im Alter frustriert, traurig, starrsinnig, grantig. Wer hält das – bei aller Liebe – schon tagtäglich aus, ohne selbst zu verzweifeln?

Nicht zu vernachlässigen: Professionelle Pflege trägt maßgeblich zum Familienfrieden bei

Dass der Städte- und Gemeindebund vor den Millionen, die Kommunen zusätzlich aufgebürdet werden, warnt, war zu erwarten. Anderes ist man vom Spitzenverband nicht gewohnt. Aber es geht eben nicht ausschließlich um Geld, sondern in erster Linie um Würde, Lebensqualität und Zufriedenheit – für die zu pflegenden Eltern und die pflegenden Angehörigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Und wer zahlt ihr Rente mal?

  • Danke, liebe TAZ für diesen Artikel!



    Ihr sprecht mir als Tochter einer demenziell erkrankten Mutter aus dem Herzen!

  • Gute Nachrichten für viele Menschen und endlich mal wieder mehr Solidaritätsprinzip! Glücklich waren bisher nur die, die nicht emotional und finanziell betroffen waren...

    • 9G
      97088 (Profil gelöscht)
      @aspera:

      Bedeutet Solidaritätsprinzip, dass ich als Nichtkinderhaber ohnehin mehr in die Pflegekasse zahle, mehr Steuern zahle und mit meiner Arbeit dafür sorge trage, dass gut situierte Mittelstandsfamilien aus der „ich kümmere mich um meine Eltern-Nummer“ heraus sind? Denn die „Mittelschwachen“ laufen ohnehin in den Pflegeeinrichtungen im staatlichen Unterstützungsmodus. Und gilt das Solidaritätsprinzip dann auch bei der individuellen Auswahl der Pflegeeinrichtung? Da gibt es ja zwischen „sauber, satt und trocken“ bis zur anthroposophischen „Zum goldenen Herbst“-Einrichtungen schon eine große Bandbreite. Wenn Solidarität meint, einen -noch zu definierenden- Versorgungsstandard sicher zu stellen - bin ich jederzeit dabei. Wenn Solidarität meint, Aufwand zu vergemeinschaften und Vermögen zu individualisieren - ohne mich.

      • @97088 (Profil gelöscht):

        Und wer zahlt ihr Rente mal?

        • 9G
          97088 (Profil gelöscht)
          @nelly_m:

          Das aktuell unsolidarische staatliche Rentensystem, in das ich derzeit maximal, beamtete StaatsdienerInnen, Freiberufler, Selbstständige, etc. gar nicht und alle anderen nach definierten Sonderregelungen (Anerkennungszeiten, Mütterente, Erwerbslosenrente, etc.) einzahlen. Und: Die Rente ist NICHT sicher.

          • @97088 (Profil gelöscht):

            Schon klar, sie ist nicht sicher, genausowenig, wie es als sicher gelten kann, dass diese ganzen sozialen Systeme in 10 oder 15 Jahren überhaupt noch existieren.



            Trotzdem finde ich es falsch, mit Begründung auf andere nicht genügend solidarische Finanzierung von Sozialleistungen mit persönlicher Entsolitarisierung zu reagieren.

            • 9G
              97088 (Profil gelöscht)
              @nelly_m:

              Tue ich nicht. Ich möchte gleiche Beteiligung zu gleichen Konditionen und nicht den Schutz des privaten Vermögens Einzelner z. B. als Erbmasse oder „vermiedene Kosten des Alterns“ auf Kosten des Gemeinwesens. Da wäre z. B. eine Vermögenssteuer sehr hilfreich. Und ich sehe sehr genau, wie mit ökonomischen und gesetzlichen „Gestaltungsspielräumen“ privates Vermögen vor dem Zugriff des Gemeinwesens „verborgen“ wird und der Staat - also wir alle - dann wie selbstverständlich einspringen sollen.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Liebe Kommentatorin! Es geht ausschließlich um‘s Geld! Es geht um das Erbe, dass z. B. vor den „räuberischen Pflegeeinrichtungen“ zugunsten der Kinder (Denkt denn keiner an die Kinder?) gerettet werden muss. Es geht um die Entgelte bei privater Pflege, die man/frau sich mangels Profession mit „schwarzen ambulanten Pflegediensten“ teilt! Es geht um Muttis Rente, die eine bedeutende Finanzierungskomponente des neuen Häuschens ist und unbedingt erhalten bleiben muss! Und es ist doch auch viel schöner, wenn das Geld der Großeltern bei den Enkeln bleibt und nicht zum Altenheim wandert. Es geht um alle arbeitenden Menschen mit Kindern, die weniger Beiträge in die Pflegekasse zahlen mit dem Argument, dass sie von den Kindern ja versorgt werden und daher weniger „ansparen“ müssen. Es geht auch - und nicht zuletzt - und die all-inclusive-Versorgungsansprüche der Angehörigen der BewohnerInnen in Pflegeeinrichtungen, obwohl der zugewiesene Pflegegrad viele Leistungen gar nicht hergibt. Es geht wesentlich um‘s Geld und diese lästige Diskussion kann mit Begriffen wie Liebe, Würde, Dankbarkeit und und und sehr schön verschleiert werden. Pflege in der Familie wie vor 50 - 60 Jahren und früher generell gibt es so nicht mehr. Mangels Großfamilien. Und wenn man/frau keine Familie mehr hat, die pflegen möchte, muss sie eben „gekauft“ werden. Und je höher der Versorgungsanspruch ist, desto teuerer wird das Ganze dann. Es gibt in Deutschland private stationäre Pflegeeinrichtungen mit Wartelisten, die im Monat (!) > 10.000 Euro kosten. Es gibt aber auch in Rumänien Alteneinrichtungen ausgerichtet auf deutsche BewohnerInnen, die 10.000 Euro im Jahr kosten.

  • Nur SPD-Aktivismus vor den Wahlen. Eine gute Idee, ein Finanzierungsmodell fehlt da aber ganz. Die SPD plant alle ihre Wohltaten über Steuererhöhungen. Man will nichts umschichten, nichts ändern, keine Fehlinvestitionen korrigieren. Nur oben drauf abkassieren. Aber das ist wohl der falsche Ansatz.