Entlassungswelle beim Software-Riesen: Microsoft streicht erstmals 5000 Stellen
Tausende Microsoft-Mitarbeiter müssen gehen - obwohl der Konzern zuletzt Milliardengewinne einstrich. Doch die Probleme des Software-Riesen sind hausgemacht.
Nun ist es raus: Microsoft wird, wie in den letzten Wochen in mehreren IT-Weblogs vorhergesagt, erstmals in seiner Geschichte Massenentlassungen vornehmen. Betroffen sind nahezu alle Segmente der Firma weltweit: Insgesamt 5000 Stellen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Marketing, Vertrieb, Finanzen, Recht, Personal und IT sollen in den nächsten 18 Monaten gestrichen werden, 1400 davon bereits in dieser Woche.
Der Konzern, noch immer das größte Software-Unternehmen der Welt mit bislang knapp 96.000 Angestellten, will damit jährlich rund 1,5 Milliarden Dollar einsparen, 2009 seine Kapitalausgaben so bereits um 700 Millionen Dollar reduzieren. Hinzu kommt: Microsoft gab erstmals keine Aussagen darüber ab, welche Umsätze und Gewinne für den Rest des Jahres erwartet werden - an dieser so genannten "Guidance" machen Börsenanalysten üblicherweise ihre Einschätzungen der nächsten Monate fest.
"Ganz klar", schrieb dazu der Microsoft-Experte Joe Wilcox vom US-Fachblatt E-Week, "die globale Wirtschaftskrise ist zu einer Microsoft-Krise geworden". Steve Ballmer, Nachfolger von Bill Gates an der Konzernspitze, scheint das ähnlich zu sehen: "Wir sind nicht immun gegenüber den Auswirkungen der Ökonomie."
Die betroffenen Microsoft-Angestellten wird wenig trösten, dass es gerüchteweise noch schlimmer hätte kommen können - zwischenzeitlich kursierten vorab kolportierte Entlassungszahlen in Höhe von 8000 bis 15.000. Zuvor hatte der Konzern Umsätze von 16,63 Milliarden Dollar im letzten Quartal bei nur noch einem schwachen Gewinnwachstum von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr gemeldet. Soweit, dass der einstige Betriebssystemmonopolist in die roten Zahlen rutschte, ist es aber keineswegs: Die Einnahmen betrugen noch immer satte 4,17 Milliarden.
Trotzdem wurde Microsoft von der Börse hart abgestraft: Die Aktie verlor mehr als 11 Prozent, wohl auch, weil das Unternehmen sich selbst von der Volatilität der Märkte geschüttelt sieht. "Die wirtschaftlichen Aktivitäten und die IT-Ausgaben verlangsamten sich stärker, als wir das erwartet hätten", sagte Finanzchef Christopher Liddell bei der Bekanntgabe der Zahlen. Da half es auch wenig, dass Firmenboss Ballmer betonte, man werde an manchen Bereichen wie der Web-Suche vermutlich 1000 zusätzliche Stellen schaffen.
Besonders stark litt das einst so hochprofitable Geschäft mit den Betriebssystemen. Windows Vista, von der Kundschaft mehr gehasst als geliebt, sorgte für einen Umsatzrückgang im Client-Geschäft (PC-Hersteller, die Windows auf ihre Endkundengeräte aufspielen plus Einzelverkäufe) um 8 Prozent. Als Grund sieht man die schwache PC-Nachfrage "und einen anhaltenden Trend hin zu kostengünstigen Netbooks". Letztere Billig-Rechner arbeiten entweder mit dem billigen Windows XP, das Microsoft eigentlich längst aus dem Verkauf holen wollte (was aufgrund von Nutzerprotesten aber nicht funktionierte) oder mit kostenlosen Linux-Derivaten, die inzwischen, wie etwa die beliebte Variante Ubuntu, Windows bei Standardanwendungen in kaum etwas nachstehen.
Besonders schmerzen dürfte Microsoft, dass es der Konkurrenz zum Teil noch deutlich besser geht. So legte Google in dieser Woche erstaunlich gute Zahlen vor und schlug die Vorgaben der Börse, so dass die Aktie stieg. Massenentlassungen sind beim Suchmaschinenprimus bislang noch nicht zu erwarten, wenn das Unternehmen auch erst kürzlich 100 Personen in der Personalabteilung kündigte, weil man derzeit kaum mehr mehr einstellt. Am Gewinn kratzte nur, dass die Firma Abschreibungen auf Beteiligungen wie das Online-Portal AOL und den Wimax-Netzbetreiber Clearwire vornehmen musste, was die Börse aber verstand.
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