Englisches System in der italienischen Serie A: Ein wahrer Segen
Der CFC Genua belebt die taktisch erstarrte italienische Serie A mit offensivem Fußball nach englischem Vorbild. Kraftvolle Kombinationen bezwangen bereits Juve.
GENUA taz Alles, was aus England kommt, ist gut. Es muss gut sein, denkt man zumindest in Fußball-Italien. Drei Premier-League-Vereine haben schließlich den vorzeitigen Exodus der Italiener in der Champions League besorgt. Daher ist es höchstes Lob, wenn der CFC Genua nun als das "englische Element" in der Serie A gepriesen wird. Das Lieblingsgadget der Spielzeugherstellerfamilie Preziosi ist die Überraschung dieser Saison. Mit konstant starker Leistung hat sich der 1893 von englischen Seeleuten und Diplomaten - welch Mischung! - gegründete Cricket and Football Club als vierte Kraft hinter den Mailänder Vereinen und Juventus etabliert.
Für das dritte Jahr nach dem Wiederaufstieg in die erste Liga dürfen die Männer aus der Hafenstadt Genua sogar auf ein Aufeinandertreffen mit den echten Engländern im internationalen Fußball hoffen. Grundlage des Erfolgs sind tatsächlich urenglische Tugenden wie Kampf- und Teamgeist sowie der unbedingte Drang, nach vorn zu spielen. Hineingebracht hat sie der frühere Juve-Nachwuchstrainer Gian Piero Gasperini, der von den sich nach England verzehrenden italienischen Sportmedien bereits als "Gasperson" - eine Hybride aus Gasperini und ManU-Manager Ferguson - vergöttert wird. Gasperini hat seine eigene Mischung, um Athletik und Spielfluss zu fördern und in einer guten Balance zu halten. Einen Tag vor jedem Spiel lässt er seine Schützlinge Gewichte stemmen und Sandsäcke bearbeiten. Unter der Woche setzt er Trainingsspiele in kleinen Besetzungen mit variierten Bedingungen (Platzgröße, Anzahl und Art der Ballberührungen) an. Taktisch bevorzugt er einen Drei-Mann-Sturm.
Sein Meisterstück hatte dieser Gasperini in der Vorwoche ausgerechnet gegen seinen Ex-Club Juventus abgeliefert. Während Altstars wie Nedved und Del Piro den Ball wie störrische Kinder vornehmlich im Alleingang nach vorn transportierten, zelebrierten ihre etwas weniger begabten und wesentlich geringer bezahlten Konkurrenten kraftvollen Kombinationsfußball. Eine brillante Positionierung der Akteure im Raum und zum Spielgerät sorgte für permanente Anspielstationen. Im italienischen Fußball, der von starren, sich nach vorn oder hinten verschiebenden Systemen geprägt ist, in denen die Spieler auf vorgegebenen Korridoren hin und her zu wetzen haben, gilt dies als Offenbarung. Weil die Jungs aus Genua auch noch so ausdauernd liefen, als wären sie allesamt in einen Bottich Zaubertrank gefallen, war der traditionell kampfstarken Juve der Schneid abgekauft.
Der Erfolg war umso bemerkenswerter, weil er ohne den Torjäger Milito errungen worden war. Der Argentinier hatte den Club in der ersten Saisonhälfte mit seiner bemerkenswerten Treffsicherheit in die obere Tabellenhälfte geführt. 14 Tore hat er in seinen ersten 17 Spielen erzielt; wegen einer Verletzungspause stagniert er bei 16. In seinem Schatten haben Spieler wie Palladino (von Juve abgeschoben), Ferrari (bei Roma versauert) und Thiago Motta (bei Barcelona als zu kompliziert ausgemustert) so viel Selbstvertrauen erlangt, dass sie ihr Talent effektiver ausnutzen. Nominelle Zweitliga-Akteure wie Juric und Sculli haben einen großen Qualitätssprung getan. Junge Leute wie Criscito und Jankovic reifen. Jetzt steht die halbe Mannschaft - inklusive des von Juve als Ranieri-Nachfolger umworbenen Coaches - auf der Wunschliste der großen Clubs. In den kommenden Wochen entscheidet sich, ob Clubbesitzer Preziosi seinen Angestellten solche Verträge garantiert, dass sie den Offerten der Konkurrenz trotzen. Für den italienischen Fußball wären weitere Spielzeiten eines CFC Genua in dieser Besetzung ein wahrer Segen.
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