Englands Sieg gegen Schweden bei EM: Ein nett zu schauendes Tor

England spielt sich mit einem 4:0-Sieg über Schweden ins EM-Finale. Jetzt können die Frauen das Titeltrauma der englischen Männer beenden.

Englands Alessia Russo jubelt nach ihrem Hackentor zum 3:0

Alles in Schräglage, Englands Alessia Russo jubelt Foto: Carl Recine/reutersreuters/Recine

Erstaunlich, wie selbstverständlich die englischen Fans mittlerweile vom maximalen Erfolg ihres Teams ausgehen. In London am Trafalgar Square, in der eilends vor dem Halbfinale eingerichteten Fanzone, will der Moderator vor dem Anpfiff von den etwa 4.000 Zu­schaue­r:in­nen wissen, wie hoch England gewinnen wird. Mit einem Tor Abstand? Mit zwei? Mit drei? Mit vier oder mehr Toren? Die Menge entscheidet sich unüberhörbar für letztere Option.

Noch erstaunlicher ist, dass sie alle recht hatten. Ein furioser 4:0-Erfolg gegen Schweden bescherte England erstmals seit 2009 wieder ein EM-Finale. Der Gastgeber ist am Sonntag beim Höhepunkt dieser Europameisterschaft im mit 90.000 Zu­schaue­r:in­nen ausverkauften Wembleystadion dabei.

„Football’s coming home“ sangen am Dienstagabend nicht nur die Fans an der Bramall Lane, sondern auch in der Londoner Innenstadt. So sichtbar und hörbar war der Fußball der Frauen vermutlich noch nirgends in Europa. Und Alessia Russo, die während dieses Turniers eh zu einem Publikumsliebling geworden ist, weil ihre Einwechslungen stets mit dem Versprechen eines Tors verbunden sind, sorgt an diesem besonderen Tag für einen ganz besonderen Augenschmaus.

Nachdem sie in der 68. Minute freistehend vor dem Tor vergibt, erobert sie sich erneut den Ball, um ihn dann mit dem Rücken zum Tor und der Hacke der völlig verblüfften schwedischen Torhüterin Hedvig Lindahl durch die Beine zu spielen.

England hat sich allen Respekt erkämpft

Englands niederländische Trainerin Sarina Wiegman veranlasste das zu einem ihrer seltenen Einzellobs. „Russo hat so viel Mut, unvorhersehbare und phänomenale Dinge zu tun.“ Und dann kommentierte Wiegman Russos Tor zum 3:0 im besten britischen Understatement: „It was nice to watch.“ Als eines der besten jemals geschossenen Tore feierte man es etwas angemessener in der britischen Presse.

Sarina Wiegman, Englands Nationaltrainerin über Russos Hackentor

„It was nice to watch“

In England schwebt man ja, wie man sagt, auf Wolke neun und damit sowieso etwas höher als auf dem europäischen Festland. Der Weg dahin war aber auch bei dieser Partie nicht so einfach. Die Schwedinnen kontrollierten in der ersten halben Stunde die Partie mit einem forschen Forechecking, das den Gastgeberinnen enorme Probleme bereitete. Immer wieder spielten sie die Bälle in die Füße ihrer Gegnerinnen. Die in diesem Turnier bislang so wenig geforderte englische Keeperin Mary Earps hielt ihr Team im Spiel.

Wie schon im Viertelfinale gegen Spanien ließ sich das englische Team auch diesmal nicht aus der Ruhe bringen und minimierte Minute für Minute die eigene hohe Fehlerquote. Die Innenverteidigerinnen hätten beim Aufbauspiel zu wenig Optionen gehabt, bis sich dann die Mittelfeldspielerinnen mehr zurückfallen ließen, erklärte Wiegman im Anschluss.

Befreiend wirkte vor allem der schon sechste Turniertreffer von Beth Mead, so viele Tore hatte bei einer EM zuvor nur die Deutsche Inka Grings (2009) erzielt. Auch diese Aktion in der 34. Minute war ein Zeugnis hoher individueller Klasse. Eine scharfe Hereingabe von Lucy Bronze kontrollierte sie auf engstem Raum und schloss souverän ab. Von da an kam der Olympiazweite von Tokio nicht mehr ins Spiel und wurde von der englischen Dynamik überrollt.

Schwedens Trainer Peter Gerhardsson trauerte nach dem Schlusspfiff vor allem den Gelegenheiten in der Anfangsphase nach. „Wenn du gegen solch einen starken Gegner spielst, musst du deine Chancen nutzen.“ Sarina Wiegman dachte dagegen eher nach vorn. „Es war eine solch gute Leistung, dass morgen alle über uns reden werden.“ Für das Finale am Sonntag haben sich die Engländerinnen erneut ein großes Stück mehr Respekt bei den Gegnerinnen erarbeitet. Und als ob das nicht schon genug wäre, stellte Wiegman die Möglichkeit in den Raum: „Vielleicht können wir es am Sonntag noch besser machen.“

Es wäre also kein Wunder mehr, wenn man dann beim Public Viewing am Trafalgar Square von einem Finalsieg mit vier Toren Abstand ausgeht.

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