: Enge Grenzen für Waigels neue Eckwerte
■ Von "echten Einsparungen" könne laut SPD-Fraktionschef Klose in Waigels Konzept keine Rede sein; auf Grundlage eines solch "schlamperten" Papiers sei es sinnlos, sich mit den Regierungs-parteien ...
Enge Grenzen für Waigels neue Eckwerte Von „echten Einsparungen“ könne laut SPD-Fraktionschef Klose in Waigels Konzept keine Rede sein; auf Grundlage eines solch „schlamperten“ Papiers sei es sinnlos, sich mit den Regierungsparteien an einen Tisch zu setzen. Interessant an den „Eckwerten“ ist tatsächlich vor allem, was nicht in ihnen enthalten ist.
Zwar findet Hans-Ulrich Klose keineswegs, daß die Opposition immer nein sagen muß. Die Papiere von Finanzminister Theo Waigel jedoch fanden beim SPD-Fraktionschef keinerlei Gnade. Für ihn sei es „völlig sinnlos, auf der Grundlage eines solch schlamperten Papiers zu reden“. Geredet werden soll eigentlich, so war es am Montag zwischen Kanzleramtsminister Friedrich Bohl und SPD-Geschäftsführer Blessing vereinbart worden, Ende Mai auf höchster Ebene: der SPD-Vorsitzende Björn Engholm beim Kanzler, die Chefs der beiden anderen Koalitionsparteien dabei.
Am selben Tag wurden im Finanzministerium die finanzpolitischen Vorschläge Waigels fertiggestellt, die das Gelingen fraktionsübergreifender Zusammenarbeit in Frage stellen, bevor es überhaupt zum ersten Treffen kommt. Zwar ist fraglich, ob Kloses Empfehlung an das SPD-Präsidium, gar nicht erst hinzugehen, „wenn es dabei bleibt“, von den anderen Mitgliedern der SPD-Führung geteilt wird. Aber wie Klose werden die Führungsgremien der Partei die Waigel-Papiere „unzureichend, beschönigend, sozial ungerecht“ finden. Waigels Analyse berücksichtige längst nicht alle Risiken; so sei der Bedarf an Umwelt- und Verkehrsinvestitionen im Osten weit unterschätzt. Klose nannte hier die Summe von 500 Milliarden. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Anhebung des Grundfreibetrags für Familien fehle ganz. Kurzum: „Gesundbeterei.“
Für den „Handlungsteil“ fand Klose erst recht kein Lob. Die Orientierung auf die Ausgabenbegrenzung sei zu wenig und das Hoffen auf wachstumsbedingte Steuermehreinnahmen völlig unbegründet. Sozial ungerecht schließlich die Sparvorschläge für die Bundesanstalt für Arbeit. Die Streichung der Bundeszuschüsse könne nur durch Leistungsbegrenzungen erreicht werden. Und das hieße, daß bei den Aussiedlerkursen und ABM-Programmen gespart würde. Klose fand nur ein einzig gutes Haar in Waigels Suppe: Erstmals würde der Finanzminister sagen, daß die bevorstehende Unternehmenssteuerreform aufkommensneutral sein müsse.
Aber auch nach Kloses Pressekonferenz bleibt es das gutgehütete Geheimnis der Opposition, wie ihre konstruktive Mitwirkung an der deutschen Einheit eigentlich aussehen soll. So bemängelte Klose, daß in Waigels Papier echte Sparvorschläge fehlten. Die eigenen, jedenfalls in den voluminösen Größenordnungen, die die SPD für die Einheitskosten veranschlagt, fehlen nach wie vor. Hält die SPD Steuererhöhungen, die Waigel heftig ablehnt, für unumgänglich? Klose plädierte nicht dafür, zitierte aber zustimmend einen entsprechenden Artikel aus dem 'Handelsblatt‘.
Mehrfach betonte Klose, daß die Regierung die SPD nicht nur zum Mittragen schlechter Botschaften heranziehen könne. Vielmehr wolle die Sozialdemokratie mitwirken. Aber zunächst sei „die Regierung am Zug“. Erst der „Kassensturz“ der Regierung, dann die Vorschläge der SPD — das war gestern auch Kloses Formel.
Bei den Gewerkschaften fanden Waigels Finanzpläne, die am Dienstag in der Unionsfraktion nach mehrstündiger Diskussion und dann in der FDP-Fraktion gebilligt wurden, gestern ein ablehnendes Echo. Aus der Koalition selbst wies Wirtschaftsminister Möllemann darauf hin, daß die eigentlichen Schwierigkeiten erst noch kämen, dann nämlich, wenn die Einsparungen festgelegt werden.
„Echte Einsparungen“ vermißte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Heinrich Weiss, begrüßte aber immerhin die gute Absicht dazu. Der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, hatte noch am Dienstag abend erklärt, die Waigelschen Pläne seinen kaum realisierbar. Er sprach sich gegen höhere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung aus; die Grenze der Belastbarkeit bei Betrieben und Bürgern sei erreicht. Tissy Bruns, Bonn
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