Energiewende und EEG-Regeln: Das Ökostrom-Paradox
Durch die EEG-Regeln sind die Preissignale beim Strom widersprüchlich: Billige Produktion bedeutet nicht unbedingt niedrige Preise.
BERLIN taz | Die Energiewende könnte bedeutend billiger sein als gedacht – sagen sogar Unternehmer, die mit Erneuerbaren möglichst viel Geld verdienen wollen. Teilweise sei die Vergütung für Strom aus Windkraftwerken „irrational hoch“, findet Johannes Lackmann.
Der einstige Vorsitzende des Bundesverbandes Erneuerbare Energien und Geschäftsführer der Firma Westfalenwind in Paderborn sprach am Mittwoch beim Kongress „Die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – Evolution oder Systemwechsel“ in Berlin.
Lackmann bezifferte die mögliche Einsparung auf 1 Milliarde Euro jährlich. Ähnlich argumentierte Philippe Welter, Herausgeber der Zeitschrift Photon, aus Aachen. Teilweise liege die aktuelle Vergütung für Stromproduzenten laut Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gegenwärtig um 30 Prozent über dem, was Solarparks brauchten, um wirtschaftlich zu arbeiten, sagte Welter.
Konzept für Strompreisbremse bis Ende März
Veranstaltet hat die Tagung die Organisation Agora Energiewende, die Rainer Baake leitet, Ex-Staatssekretär des grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin.
Derzeit ist die Debatte über den Beitrag der Ökoenergie an den steigenden Elektrizitätskosten in vollem Gange. Um einem erneuten Anstieg im kommenden Jahr vorzubeugen, hat Umweltminister Peter Altmaier (CDU) die Umweltminister der Länder am Donnerstag nach Berlin eingeladen.
Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit im Bundesrat, deshalb benötigt Altmaier die Zustimmung der Länder. „Bis Ende März“ soll ein Konzept stehen. Bereits in den kommenden Tagen möchte Altmaier einen Konsens mit FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler über seine Strompreisbremse finden.
Lösung für ein Paradox gesucht
Bei der Agora-Tagung ging es vornehmlich um die langfristige Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Ein Problem liegt darin, einen erstaunlichen Widerspruch aufzulösen. Durch die zeitweise hohe Produktion von Solar- und Windstrom beispielsweise an Sonnentagen oder bei stürmischem Herbstwetter sinkt der Börsenpreis für Strom auf wenige Cent. Das große Angebot drückt den Preis – für den Verbraucher könnte Energie dann eigentlich günstig sein.
Trotzdem erhalten die Solar- und Windstrom-Produzenten laut EEG dann eine weit höhere garantierte Vergütung zwischen 10 und 20 Cent pro Kilowattstunde, finanziert von den Kunden. Teurer Strom trotz billiger Produktion – ein Paradox.
Felix Matthes vom Öko-Institut plädierte deshalb dafür, die gesetzliche Vergütung für Solar- und Windstrom in „einen festen und einen variablen Bestandteil“ aufzuspalten. „Der variable Vergütungsbestandteil sollte den zeitgenauen Wert des erzeugten Stroms auf Grundlage der jeweiligen Börsenpreise reflektieren“, sagte Matthes.
Energie-Soli für Solar- und Windparks
Im Gegensatz zu heute könnte das Preissignal dann bei Produzenten und Konsumenten ankommen. Wind- und Solarparks müssten günstiger herstellen, Nachfrager würden die Elektrizität nutzen, wenn sie billig ist. Im Ergebnis könnten die gesellschaftlichen Kosten der Energiewende sinken.
Kurzfristig will Altmaier dies erreichen, indem er mehrere neue Elemente in das EEG einbaut. So sollen Solar- und Windparks einen „Energie-Soli“ zahlen, wenn die Kosten aus dem Ruder laufen – was die Grünen kritisieren. Mögliche Kompromisse zwischen Bund und Ländern sowie Koalition und Opposition liegen im Abbau von Überförderung beispielsweise bei Windparks, in der zusätzlichen Belastung von selbstverbrauchtem Ökostrom mit der EEG-Umlage und in der Reduzierung von Vergünstigungen für energieintensive Industriebetriebe. Ob es dieses Jahr zu einer Reform kommt, ist wegen der Bundestagswahl allerdings fraglich.
Update: Im dritten Absatz dieses Artikels wird eine Rede von Philippe Welter, dem Herausgeber der Zeitschrift Photon, wie folgt wiedergegeben: Teilweise liege die Vergütung für Stromproduzenten laut Erneuerbare-Energien-Gesetz gegenwärtig um 30 Prozent über dem, was Solarparks brauchten, um wirtschaftlich zu arbeiten. Dazu stellt Photon fest: Welter habe nicht gefordert, die Vergütung von Ökostrom um 30 Prozent zu senken, er habe eine regional differenzierte Vergütung vorgeschlagen. Da die Sonneneinstrahlung regional unterschiedlich sei, könne er sich eine Ökostromvergütung in einer Bandbreite von 30 Prozent vorstellen. Das sei nicht gleichbedeutend mit der Forderung, die Vergütung insgesamt zu senken. (taz)
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