Energiewende im Praxistest: Atomkraft an die Wand geblasen
Engpass im Rekordwinter? Von wegen. Deutschland exportiert Strom, während er im Atomland Frankreich wegen der vielen Elektroheizungen knapp wird.
FREIBURG taz | Solche Tage galten immer als die Nagelprobe für die Energiewende: Es ist kalt, der Stromverbrauch ist hoch, und der Wind bläst kaum. Gleichwohl erweist sich das deutsche Stromnetz derzeit als stabil. "Keine Probleme", hieß es am Freitag übereinstimmend von der Bundesnetzagentur wie auch den Übertragungsnetzbetreibern. Und zum Wochenende, wenn die Nachfrage nach Strom spürbar abnimmt, entspannt sich die Situation in der Regel ohnehin.
Weder über außergewöhnliche Netzengpässe noch über einen Mangel an Erzeugungskapazitäten konnte die deutsche Stromwirtschaft klagen. Im Gegenteil: Deutschland versorgte gar noch Nachbarländer mit. Selbst in den um diese Jahreszeit kritischsten Stunden von 8 bis 9 Uhr und von 18 bis 19 Uhr exportierte Deutschland per saldo Strom. Am Freitagmorgen etwa betrug der Exportüberschuss 4.000 bis 5.000 Megawatt - das entspricht der Leistung von drei bis vier Atomkraftwerken.
"Im Moment erleben wir eine Situation, die im Vorfeld immer als potenziell kritisch bezeichnet wurde", sagte eine Sprecherin des Übertragungsnetzbetreibers Tennet. Die gesamte Stromnachfrage in Deutschland war am Freitagmittag mit rund 70.000 Megawatt hoch, der Wind jedoch lieferte gleichzeitig weniger als 2.000 Megawatt.
Und doch sei die Situation gut beherrschbar, hieß es bei Tennet, zumindest solange es keine größeren ungeplanten Kraftwerksausfälle gebe. Die von der Netzagentur im Zuge des Atomausstiegs festgelegten Reservekraftwerke habe man noch nicht aktivieren müssen.
Entspannte Transport-Netze
Ähnlich entspannt sieht auch die Transportnetze-Sparte der EnBW die gegenwärtige Netzsituation, die "im Rahmen der jahreszeitlichen Erwartungen" liege. Die Systemsicherheit sei "bisher zu jedem Zeitpunkt gewährleistet" gewesen und dies werde "auf Basis der vorliegenden Prognosen auch für die nächsten Tage erwartet".
Auch die aktuellen Preise am Spotmarkt der deutschen Strombörse EEX deuten nicht auf eine außergewöhnliche Verknappung hin: In der teuersten Stunde am Freitag zwischen 18 und 19 Uhr kostete die Kilowattstunde im Großhandel 11,1 Cent, im Tagesmittel lag der Strompreis bei 7,7 Cent. Im Vergleich zum Mittelwert der vergangenen Monate von rund 5 Cent sind die Preise zwar leicht erhöht, doch ungewöhnlich sind sie nicht; im November 2007 etwa wurden stundenweise Preise bis zu 82 Cent je Kilowattstunde verlangt.
Steigende Nachfrage im Atomland
Ausgerechnet im Atomland Frankreich ist der Strom im Moment deutlich knapper als in Deutschland. Für Strom zur Lieferung am Freitagabend mussten Händler am französischen Spotmarkt bis zu 15,1 Cent bezahlen. Und während Deutschland in den letzten Tagen Nettoexporteur war, importierte Frankreich per saldo sogar Strom. Das ist derzeit nötig, weil die Franzosen in großem Stil mit Strom heizen.
So steigt mit jedem Grad, um das das Thermometer im Winter fällt, in Frankreich die Nachfrage um 2.300 Megawatt. In der Bretagne rief der Energieversorger EdF daher gestern die Bürger dazu auf, ihren Stromverbrauch zeitweise einzuschränken.
In Deutschland erweist sich unterdessen der Solarstrom als wichtiger stabilisierender Faktor. "Die Fotovoltaik in Süddeutschland hilft uns gerade sehr", sagte ein Sprecher des Übertragungsnetzbetreibers Amprion. Ähnlich ist der Tenor bei Tennet. Denn die Fotovoltaik hat den Vorteil, dass ihre Einspeisung mit den Zeiten der Höchstlast im Netz zusammenfällt. In den letzten beiden Tagen trug die Sonne in den Mittagsstunden zwischen 6.000 und 8.000 Megawatt zur Stromerzeugung bei - so viel, wie fünf bis sechs Atomkraftwerke leisten.
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