Energieversorgung: Ein Kraftwerk oder viele
Der Hamburger Senat und Vattenfall verhandeln über Fernwärme aus Moorburg - und darüber, ob es sinnvoll wäre, sie durch dezentrale Wärme zu ersetzen.
Die BaumbesetzerInnen im Altonaer Gählerpark haben am Sonnabend ihren und den Erfolg des Umweltverbandes BUND gefeiert. Nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 5. März darf an der geplanten Fernwärmeleitung aus dem Steinkohlekraftwerk Moorburg vorerst nicht gebaut und es dürfen keine Bäume gefällt werden. Dem Senat und dem Kraftwerksbauherrn Vattenfall gibt dieses Moratorium Zeit zu verhandeln. Ob es sinnvoll wäre, auf das Auskoppeln von Fernwärme aus dem Moorburger Kraftwerk zu verzichten, ist zweifelhaft.
Eine Vattenfall-Vertreterin hatte Ende Januar ein Gesprächsangebot des Umweltstaatsrats Christian Maaß (GAL) angenommen, um mit ihm über Alternativen zu einer Fernwärmeversorgung aus Moorburg zu reden. "Wir sind grundsätzlich in Gesprächen über Energiekonzepte für Hamburg", bestätigt Firmensprecher Stefan Kleimeier. Diese Gespräche seien allerdings vertraulich.
Klar ist, dass das Kraftwerk Moorburg die Klimaschutzpolitik des schwarz-grünen Senats in ein fahles Licht rückt. Mehr noch: Sie beschränkt die Möglichkeiten des Senats, klimafreundlich Energie in der Stadt erzeugen zu lassen. Das Kraftwerk Moorburg soll das ebenfalls mit Kohle befeuerte Heizkraftwerk Wedel ersetzen. Wedel kann 260 Megawatt Strom und bis zu 400 Megawatt Fernwärme liefern. Das Kraftwerk wurde 1961 gebaut und 1993 auf Kraft-Wärme-Koppelung umgerüstet. Vattenfall möchte es durch ein effizienteres und viel größeres Kraftwerk in Moorburg ersetzen - schließlich gehen ja bald einige der Atomkraftwerke an der Unterelbe vom Netz.
Hamburg steht vor der Frage, wie es künftig mit Fernwärme versorgt werden soll. Dabei konkurrieren zwei Modelle:
Zentrale Versorgung durch Steinkohle: Diese wird bisher durch das Heizkraftwerk Wedel gewährleistet. Es produziert 260 Megawatt (MW) Strom und bis zu 400 MW Wärme. Abgelöst werden soll es durch das Kraftwerk Moorburg, das 1.640 MW Strom und bis zu 650 MW Wärme liefern soll.
Dezentrale Versorgung mit klimafreundlicher Energie: Dazu gehört die fast CO2-emissionsfreie Stromerzeugung mit Windkraftanlagen und Photovoltaik und die Wärme aus Sonnenkollektoren und der Wärmerückgewinnung, sowie kleine Blockheizkraftwerke, die beides können.
Das Ziel des Senats ist es, bis 2050 in Hamburg den CO2-Ausstoß um 80 Prozent zu verringern. Der Brennstoff Kohle, der besonders viel CO2 freigibt, wenn er verbrannt wird, müsse deshalb ersetzt werden.
Statt 32 Prozent wie Wedel, soll Moorburg bis zu 46,5 Prozent der durch die Kohleverbrennung freigesetzten Energie in Strom umwandeln können. Nebenbei soll es perspektivisch 280.000 statt bisher 180.000 Wohnungen mit Wärme versorgen. Würde die Wärme im Winter komplett abgefordert, sänke der elektrische Wirkungsgrad um ein bis zwei Prozentpunkte. "Fernwärme ist nicht umsonst", sagt Enno Isermann, Sprecher von Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL). Dafür würde der Brennstoff in Summe zu 61 Prozent ausgenutzt.
Der Brennstoffausnutzungsgrad und der elektrische Wirkungsgrad sind zwar nicht eins zu eins miteinander vergleichbar; es steht aber fest, dass das Kraftwerk, obwohl es elektrisch Leistung einbüßte, insgesamt effizienter arbeiten würde. Schwierig zu klären ist die Frage, was effizienter und klimafreundlicher wäre: Fernwärme aus Moorburg auszukoppeln oder stattdessen in der Stadt dezentral Blockheizkraftwerke (BHKW) und Sonnenkollektoren aufzubauen.
"Wir erachten eine dezentrale Energieerzeugung unter Klimagesichtspunkten als besser", sagt Behördensprecher Isermann. Vattenfall-Sprecher Kleimeier kontert, das Kraftwerk Moorburg ohne Fernwärmeauskoppelung wäre gerade deshalb nicht sinnvoll. Im Übrigen sei die Fernwärme sehr wettbewerbsfähig gegenüber herkömmlichen Öl- und Gasheizungen, weil die über die Stadt verteilten Kessel wegfielen, die Geld kosteten und gewartet werden müssten.
Der Effizienzverband Wärme, Kälte und Kraft-Wärme-Kopplung (AGFW) argumentiert ähnlich gegen dezentrale Blockheizkraftwerke: Es sei ein städtebauliches und wegen der Belieferung mit Brennstoff auch logistisches Problem, eine Vielzahl solcher Anlagen über die Stadt zu verteilen. Schließlich liege zwischen der Leistung eines Großkraftwerks wie Moorburg und der kleinen Kraftwerke eine Zehnerpotenz: Statt einem großen müssten 100 kleine Kraftwerke gebaut werden.
Außerdem arbeiteten BHKWs mitnichten effizienter als große Heizkraftwerke. "Je größer ein Kraftwerk ist und je mehr Kunden davon beliefert werden, desto effizienter ist so eine Anlage", sagt AGFW-Geschäftsführer und Ingenieur Werner Lutsch. Ein Gutachten des Öko-Instituts im Auftrag des Umweltbundesamtes gab ihm 2008 recht: Große Öl-, Gas- und Müll-Heizkraftwerke spucken zum Teil viel weniger Treibhausgase pro Energieeinheit Strom und Wärme aus als Blockheizkraftwerke.
Allerdings kommt es auf den Brennstoff an: Ein Steinkohle-Heizkraftwerk erzeugt knapp 20 Prozent mehr Treibhausgase pro Einheit Wärme als ein BHKW, aber auch 20 Prozent weniger als ein Gas-Heizwerk. Beim Stromanteil erzeugt es ebenfalls rund 20 Prozent mehr als ein -BHKW, und 25 Prozent weniger als der derzeitige Kraftwerkspark.
Dagegen kam eine Studie des Instituts für Energie- und Klimapolitik (Ifeu) im Auftrag des Umweltverbandes BUND 2007 zu dem Schluss, dass ein auf die Wärmeausbeute hin optimiertes Kraftwerk Wedel sogar besser sein könne als das Kraftwerk Moorburg. Blockheizkraftwerke wären demnach unschlagbar. Ein anerkanntes Computerprogramm des Öko-Instituts, "Gemis", errechnet ebenfalls für -BHKW einen viel geringeren Ausstoß an Treibhausgasen als für Kohle-Heizkraftwerke. Die Unterschiede dürften daran liegen, dass das Öko-Institut in seiner Studie auch die indirekten Treibhausgas-Emissionen berücksichtigt hat, wie durch den Brennstofftransport und die Herstellung der Anlagen.
Der Fernwärme-Lobbyist Lutsch gibt zu bedenken, dass viele BHKW nur mit einem "stinknormalen", wenig effizienten Verbrennungsmotor arbeiteten. Zudem werde ihre Wärme im Sommer nicht gebraucht. Großkraftwerke seien in dieser Zeit viel effizienter.
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