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■ Energiepolitik: Möllemann und Greenpeace in einem BootPflöcke für eine große Koalition

Der Kanzler und sein Umweltminister haben schon vor Weihnachten ein neues Strategiespiel geschenkt bekommen. Nach dem Konsens über das Asylrecht sollen jetzt im Konsens mit den großen Männern in der SPD die Pflöcke für die künftige Energiepolitik in Deutschland eingeschlagen werden. Wie bei modernen Spielen so häufig, darf es auch mehrere Gewinner geben. Die bisherige Pattsituation, die den Bau neuer Kraftwerke überhaupt erschwert, würde aufgelöst. Die Lebensdauer der laufenden Atommeiler könnte abgesichert werden, und ganz nebenbei fände eine weitere Generalprobe für die große Koalition statt.

Die Freude am neuen Spiel ist typisch für den Kanzler. Große Männer setzen sich zusammen und treffen große Entscheidungen. Die großen Männer aus der Energiewirtschaft haben ihm, Kohl, einen fast schon persönlichen Brief geschrieben. Nach den Treffen mit meinem Freund Michail G. und meinem Freund Boris J. folgt nun das Gespräch mit meinem Freund Gerhard S. Von Mann zu Mann lassen sich die politischen Probleme am besten aus der Welt schaffen.

Das Konzept des Kanzlers abstrahiert von der Realität. Der energiepolitische Konsens ist nicht durch den Streit zwischen großen Männern und großen Parteien abhanden gekommen. Als der Konsens über die Atomkraft Anfang der achtziger Jahre zerbrach, verfügte die Atomkraftlobby in allen Parteien, im Bundestag und in allen Landtagen über großen Mehrheiten. Parlamentarisch waren die AtomkraftgegnerInnen eine verschwindend kleine Minderheit.

Die wachsenden Zweifel in der Bevölkerung, die sich im Anwachsen der Grünen und nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im totalen Verlust des Vertrauens in die politische Klasse zeigte, konnte schließlich auch von den beiden großen Parteien nicht mehr ignoriert werden. Die SPD beschloß per Parteitag den Ausstieg aus der Atomkraft, in der CDU machte das Wort von der Kernenergie als Übergangsenergie die Runde.

Gereicht hat das nicht. Nach wie vor verfügen Greenpeace oder die Umweltverbände in Sachen Atomenergie über eine wesentlich höhere Glaubwürdigkeit als die Parteien. Ein Konsens der Union mit der SPD über die zukünftige Atompolitik wird deswegen nicht zwangsläufig zum gesellschaftlichen Konsens wachsen – egal wie dieser Konsens ausfällt. Für einen wirklichen gesellschaftlichen Energiekonsens müßte es daher im ureigensten Interesse der Spieler liegen, diese Glaubwürdigkeitsträger einzubinden.

Tut es für die Union aber offensichtlich nicht. Über die Gründe läßt sich vortrefflich spekulieren. Am wahrscheinlichsten ist wohl das Motiv, daß es auch Jürgen Möllemann auf die Greenpeace-Seite der Barrikade treibt. Dem Bundeswirtschaftsminister dämmert, daß in den Gesprächen zwischen Kohl, Töpfer und Schröder ein weiterer Pflock für die große Koalition eingeschlagen wird. Der Minister und FDP-Chef in spe sieht schon die künftige Zweidrittelmehrheit im Bundestag voraus. Mit der könnten die beiden Großen rein rechnerisch auf den gelungenen Konsens verweisen. FDP und Grüne schimpfen in der Opposition. Den Rest erledigt für den Kanzler dann der Obrigkeitsstaat. So wird die FDP ganz plötzlich zur Verbündeten der AtomkraftgegnerInnen. Hermann-Josef Tenhagen

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