piwik no script img

Endlich wieder Zucker

Nach zwei Jahren Verzögerung konnte der Zuckerwerk-Verein nun ins Jakobushaus ziehen. Angekommen ist das Party- und Künstlerkollektiv dort aber nur auf Zeit

Laute Straße, wenig Anwohner: Zucker will im Papageienhaus Partys feiern Foto: Archiv

VonLotta Drügemöller

„Zucker zieht ins Jakobushaus“, titelte der Weser Kurier Ende 2017. Auch die taz sah damals den Umzug kurz bevorstehen. „Der Einzug soll bereits bis Dezember 2017 ermöglicht werden“, hieß es im November.

Gut zwei Jahre später ist es nun so weit. Das Party- und Künstlerkollektiv ist eingezogen ins Papageienhaus, die Fluchtwege sind gebaut, der Club­raum ist gegen Lärm gedämmt. Am Samstag wurde erstmals gefeiert, mit Konzert und Clubmusik, mit Afro House und Techno.

Dass es zwei Jahre gedauert hat bis zur Eröffnungsparty im ehemaligen Obdachlosenheim der Inneren Mission, stößt manchen übel auf. „Es hätte viel schneller gehen können“, ist Kai Wargalla überzeugt. Die Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen hatte sich von Beginn an für die Zwischennutzung stark gemacht.

Gründe für die lange Wartephase gab es einige: Der Verein musste erst einen Nutzungsänderungsantrag stellen, damit das Jakobushaus als Versammlungsstätte zugelassen werden konnte. Das Gebäude musste umgebaut und mit zusätzlichen Rettungswegen ausgestattet werden. Und im Herbst diesen Jahres sorgte ein Brand für ein vorübergehendes Nutzungsverbot. Vor allem aber machten Pläne der Bremer Behörden den KulturaktivistInnen einen Strich durch die Rechnung.

Obwohl Ende 2017 Senat und Beirat einer schnellen Zwischennutzung durch das Zuckerwerk zugestimmt hatten, wurde ab 2018 nach einem Investor gesucht, der das Jakobushaus zum Azubi-Wohnheim ausbauen sollte. „Im Vordergrund stand die Absicht, das Gebäude zu veräußern“, sagt Peter Schulz, Sprecher von Immobilien Bremen.

Für Wargalla kein Grund, das Gebäude nicht bis dahin freizugeben: „Die Stadt muss wohl lernen, was Zwischennutzung bedeutet.“ Immobilien Bremen verteidigt das Vorgehen: „Wäre ein Investor gekommen, wären damit alle vorbereitenden Arbeiten des Vereins verloren gewesen“, sagt Schulz.

Tatsächlich kam es nicht dazu; im Sommer 2019 wurde nach der zweiten Ausschreibungsrunde klar: Kein Interessent wollte ein Angebot abgeben. In der Zwischenzeit musste Immobilien Bremen selbst für die Instandhaltung zahlen. Jetzt kommt Zuckerwerk für Miete und Heizkosten auf.

Die oberen Etagen des Jakobushauses werden aus Brandschutzgründen auch heute nicht genutzt. Im zweiten Stock befindet sich das Medienlabor: KünstlerInnen des Vereins nutzen hier die ehemaligen Zimmer als Ateliers. Die Räume sind nur 13 Quadratmeter groß – für großformatige Kunst ist das nicht geeignet. Einzelne KünstlerInnen arbeiten weiterhin auf dem Kellogs-Gelände. Dafür sind ein paar neue dazugekommen.

Überhaupt will man sich am neuen Ort ein wenig verändern. Der Zucker-Club war stets bekannt für seine Techno-Partys. „Wir haben immer auch andere Sachen gemacht, aber Techno ist krass und wird am stärksten wahrgenommen“, sagt Akifa Taxim vom Zuckerwerk-Verein. In Zukunft soll der Fokus noch weiter werden.

„Die Stadt muss wohl lernen, was Zwischennutzung heißt“

Kai Wargalla, Die Grünen

Stärker als zuvor soll es Konzerte, Lesungen, queere Partys und Clubnächte mit breiter angelegter elektronischer Tanzmusik geben. Und das regelmäßig: Zucker will an seine großen Clubzeiten bis 2012 anschließen. Im Januar finden etwa drei bis vier Events statt, im Februar sollen es möglichst schon fünf bis sechs sein. „Aber eigentlich ist unser Ziel ein regulärer Clubbetrieb“, so Taxim.

Einfach wird das nicht, das wissen er und seine Mitstrei­terInnen. „Die Prekarität von Kulturarbeit ist ein Problem“, sagt Taxim. Schließlich sollen die Partys nicht zu teuer sein. Zucker will „auch ein Publikum, das kein Geld hat“ nicht verlieren. Ein großer Teil der Arbeit für den Verein wird deshalb ehrenamtlich geleistet – Webseitengestaltung, Öffentlichkeitsarbeit oder die Suche nach Architekten und Baufirmen.

Angekommen ist Zucker noch nicht. Auf anderthalb Jahre ist die Zwischennutzung beschränkt und, sagt Taxim, „hoffentlich die letzte Station auf dem Weg zum großen Ziel“. Schließlich will der Verein eigentlich in den Bunker an der Hans-Böckler-Straße in Walle. Die Finanzierung für den Kauf steht, die Bebauungsplanänderung ist durch. Ein paar Prozesse müssen noch zu Ende geführt werden, um das Projekt durchziehen zu können.

Dann steht die nächste Aufgabe an: Der Umbau dürfte sich hinziehen, denn die Suche nach Baufirmen gestaltet sich für den Verein gerade schwierig. Angehen will er es trotzdem – nebenbei, schließlich wollen ja auch noch Partys gefeiert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen